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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke
Autoren: Edgar Allan Poe
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an! – Denn wahrlich, entweder halten die Philister den Korb noch fest, oder der Herr hat ihre Herzen erweicht, ein Tier von gutem Gewicht hineinzutun!« Und die Gizbarim zogen und zogen, während ihre Last durch den stärker zunehmenden Nebel schwerfällig aufwärts schwankte.
    »Bewahr uns!«, brach es nach Ablauf einer Stunde, als am Ende des Seils ein Gegenstand undeutlich sichtbar wurde, von den Lippen Ben-Levis.
    »Bewahr uns! – Pfui! – Es ist ein Widder aus dem Dickicht von Engedi und so buschig wie das Tal Josaphat.«
    »Es ist ein Erstling aus der Herde«, sagte Abel-Phittim, »ich erkenne es am Blöken seines Mundes und am unschuldigen Bau seiner Glieder. Seine Augen sind schöner als Edelsteine, und sein Fleisch gleicht dem Honig des Hebron.«
    »Es ist ein gemästetes Kalb von den Weiden von Baschan«, sagte der Pharisäer, »die Heiden haben wundersam an uns gehandelt! Lasst uns unsre Stimmen in einem Psalm erheben! Lasst uns Dank sagen mit Schalmei und mit dem Psalter – mit Harfe und Flöte und Posaune!«
    Erst als der Korb nur noch ein paar Fuß von den Gizbarim entfernt war, bot sich den Blicken mit tiefem Grunzen ein Schwein von ungewöhnlichem Umfang.
    »O El Emanu!«, entrang es sich langsam dem Trio, als es seine Last fahren ließ und das befreite Borstentier kopfüber unter die Philister stürzte. »El Emanu!« – Sie verdrehten die Augen gen Himmel – »Gott steh uns bei! – Es ist das unaussprechliche Fleisch!«

Bon-Bon
    Quand un bon vin meuble mon estomac
,
    Je suis plus savant que Balzac
,
    Plus sage que Pibrac;
    Mon bras seul faisant l’attaque
    De la nation Cossaque
,
    La mettroit au sac;
    De Charon je passerois le lac
    En dormant dans son bac;
    J’irois au fier Eac
,
    Sans que mon cœur fît tic ni tac
,
    Présenter du tabac
.
    F RANZÖSISCHES V AUDEVILLE
    Bon-Bon war ein Wirt von vielen Gaben. Keiner, der je im Cul-de-sac Lefebvre zu Rouen seine kleine Kneipe besuchte, wird es, glaube ich, bestreiten. Noch unbegreiflicher aber ist Pierre Bon-Bons Bewandertsein in der Philosophie seiner Zeit. Seine pâtés à la foie waren zweifellos von höchster Vortrefflichkeit; aber welche Feder könnte seinen Essays »Sur la Nature«, seinen Gedanken »sur l’Ame«, seinen Betrachtungen »sur l’Esprit« Gerechtigkeit widerfahren lassen! Wohl waren seine Omelettes und Frikandeaus unschätzbar, doch welcher damals lebende Schriftsteller hätte nicht doppelt so viel für eine »idée de bon-bon« gegeben als für den ganzen Ideenplunder aller übrigen »Weisen«? Bon-Bon hatte Bibliotheken durchstöbert, die noch niemand sonst durchforscht hatte, unwahrscheinlich viel gelesen und Dinge begriffen, deren Auffassbarkeit jeder andere für ausgeschlossen gehalten hätte. Trotz alledem gab es selbst zu der Zeit, da er auf seiner Höhe war, Autoren in Rouen, die behaupteten, dass »seine Dikta weder die Klarheit der Akademiker noch die Tiefe der Lyzeisten« aufwiesen. Ich kann versichern, dass seine Lehren durchaus nicht allgemein verstanden wurden, obgleich daraus keineswegs gefolgert werden darf, dass sie schwer zu verstehen waren. Ich glaube, es war gerade ihre Selbstverständlichkeit, die sie vielen so verworren erscheinen ließ. Sagt es nicht weiter – aber selbst Kant verdankt im wesentlichen Bon-Bon seine metaphysischen Begriffe. Bon-Bon gehörte weder zur Schule Platos, noch, streng genommen, zu der des Aristoteles, noch verschwendete er, wie der neuzeitlichere Leibniz, kostbare Stunden, die der Erfindung eines Frikassees oder, in leichter Abstufung, der Analyse einer Empfindung gewidmet werden konnten, in leichtfertigen Versuchen, die unverträglichen Öle und Wasser einer Moraldisputation zu verbinden! Ganz und gar nicht. Bon-Bon war ionisch; Bon-Bon war aber auch italisch. Er überlegte a priori; er überlegte a posteriori. Seine Ideen waren angeborene oder erworbene. Er glaubte an Georg von Trapezunt, er glaubte an Bossarion. Bon-Bon war ganz überzeugt ein – Bonbonist.
    Ich habe bereits davon gesprochen, wie hochbegabt der Philosoph als Wirt war. Es wäre aber falsch, wenn einer meiner Freunde mutmaßen wollte, dass der Held unserer Geschichte bei der Erfüllung seiner Standespflichten sich nicht vollständig ihrer Wichtigkeit und Würde bewusst gewesen wäre. Weit entfernt. Es war unmöglich zu sagen, auf welchen seiner »Berufe« er am meisten stolz war. Nach seiner Meinung waren die Geisteskräfte innig mit der Leistungsfähigkeit des Magens verbunden. Ich glaube, dass sich
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