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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6
Autoren: Arkady Strugatsky
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Vorderpfoten auf den Rücken und entfernte sich, leicht gebeugt wie der Dozent Dubino-Knjashitzki in der Vorlesung, mit federnden Schritten von der Eiche.
    »Na gut«, murmelte der Kater durch die Zähne. »Es waren einmal ein Zar und eine Zarin. Und dieser Zar und diese Zarin hatten einen Sohn … hm, äh … einen Dummkopf natürlich …«
    Ärgerlich spuckte der Kater die Seerose aus, zog eine Grimasse und rieb sich die Stirn.
    »Zu dumm ist das«, murmelte er. »Zu dumm … Verschiedenes weiß ich aber doch noch, zum Beispiel: ›Ha, ha, ha! Endlich wieder was zu beißen: zum Mittagessen ein Pferd, zum Abendbrot einen wackeren Burschen …‹ Woraus ist das doch gleich? Und Iwan, der Dummkopf – Sie wissen schon –, antwortet: ›Ach, du garstig Ungetüm, hast den weißen Schwan noch nicht gefangen und willst ihn schon verschlingen!‹ Dann tritt der glühende Pfeil in Aktion – runter mit den drei Köpfen –, Iwan reißt die drei Herzen heraus und bringt sie – der Kretin! – dem lieben Mütterchen. Ein reizendes Mitbringsel!«
    Der Kater brach in krampfhaftes Gelächter aus, dann seufzte er auf. »Es gibt eine Krankheit, und die heißt Verkalkung«, stieß er hervor.
    Er seufzte noch einmal, kehrte zur Eiche zurück und sang: »Kra, kra, meine Kinderchen! Kra, kra, meine Täubchen. Mit Tränen … hm, äh … hab ich euch getränkt, genauer gesagt, gepäppelt …« Er seufzte ein drittes Mal und lief eine Zeit lang schweigend auf und ab. Wieder auf der Höhe der Eiche angelangt, grölte er plötzlich ganz unmusikalisch: »Süß war der Brocken, doch viel zu groß …!«
    Auf einmal hielt er – wer weiß woher – eine riesige Gusli in den Pfoten. Er hämmerte wild darauf herum, schlug die Krallen in die Saiten und brüllte, als wollte er die Musik übertönen:
    Dass es im Tannwald finster ist,
    das macht das Holz,
    das … hm, äh … mein Schatz … oder Katz …?
    Er verstummte und schritt eine Weile, wortlos auf die Saiten hämmernd, auf und ab. Dann stimmte er leise und zögernd folgendes Liedchen an:
    Ich schlich mich in den Garten
    und braucht nicht lang zu warten:
    Wie zum Hohn
    grub man im Mohn.
    Er kehrte zu der Eiche zurück, lehnte die Gusli dagegen und kratzte sich mit der Hinterpfote am Ohr.
    »Arbeit, Arbeit!«, rief er. »Nichts als Arbeit!« Wieder legte er die Pfoten auf den Rücken, ließ die Eiche links liegen und murmelte vor sich hin: »Wie mir zu Ohren kam, o großer Kalif, lebte in der wunderschönen Stadt Bagdad ein Schneider namens …« Er ließ sich auf alle viere nieder, machte einen Buckel und fauchte grimmig. »Besonders mit diesen Namen ist es schlimm! Abu … Ali … Eben irgendein Ibn … Na schön, nennen wir ihn Poluekt. Poluekt Ibn … hm, äh … Poluektowitsch. Ich weiß sowieso nicht mehr, wie das mit diesem Schneider war. Ach, hol ihn der Teufel, nehmen wir was anderes …«
    Ich lag bäuchlings auf dem Fensterbrett und traute meinen Augen nicht. Der unglückselige Wassili spazierte vor der Eiche auf und ab, murmelte vor sich hin, hustete, jaulte, graunzte und ließ sich vor Anstrengung auf alle viere nieder, mit einem Wort: Er quälte sich unsäglich. Sein Wissen war breit gefächert. Wenn er von jedem Text auch nur die Hälfte kannte, so waren das doch russische, ukrainische, westslawische, deutsche, englische, ja, ich glaube sogar japanische, chinesische und afrikanische Märchen, Legenden, Parabeln, Balladen, Lieder, Romanzen, Spottverse und Kehrreime. Die Verkalkung brachte ihn zur Raserei, ein paarmal schlug er seine Krallen wild in die Rinde der Eiche, fauchte und spuckte, und seine Augen glühten teuflisch, während sein buschiger Schwanz, der so dick war wie ein Holzscheit, bald steil in die Höhe ragte, bald krampfhaft zuckte oder gegen seine Flanken peitschte. Trotzdem war das Lied vom »Zeisig Dickbauch« das einzige, das er zu Ende brachte, und das Märchen »Von dem Haus, das Jack sich baute« in Marschaks Übersetzung das einzige, das er zusammenhängend, wenn auch leicht verstümmelt, wiedergeben konnte. Allmählich machte sich in seiner Aussprache ein immer stärkerer Katzenakzent bemerkbar, woran wahrscheinlich seine Müdigkeit schuld war.
    »Übers Feld, übers Feld«, sang er, »zieht einsam ein Pflug, und … hm, mnäh … und … mnäh-a-u! … Und hinter dem Pflug … mi-au! … geht … oder schreitet? … der Herr selbst einher …«
    Schließlich war er völlig erschöpft, setzte sich auf seinen Schwanz und hockte eine Zeit lang mit
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