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Gesammelte Werke 1

Titel: Gesammelte Werke 1
Autoren: Strugatzki Boris
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bringen, und sei es in stark veränderter Form. Aber ist es der Zensur und der Obrigkeit gelungen, ihr Ziel zu erreichen - aus dem Roman den Freigeist auszumerzen, die Anspielungen, die »ungelenkten Assoziationen« und die Bedeutungen zwischen den Zeilen? In gewissem Maße sicherlich. Der verstümmelte Text hatte zweifellos viel von seiner Schärfe und satirischen Zielrichtung verloren, doch ich glaube, es ist der Obrigkeit am Ende doch nicht gelungen, ihn völlig zu kastrieren. Schließlich fanden sich noch verschiedene wohlmeinende Leute, die bereitwillig auf dem Roman herumtrampelten. Obwohl ihr kritisches Pathos selten über Anschuldigungen hinausging, die Autoren zeigten »Missachtung für die sowjetische Raumfahrt« (gemeint war die abfällige Haltung Maxims gegenüber seiner Arbeit in der Gruppe für Freie Suche), war eine ängstlich-ablehnende Haltung der Obrigkeit der »Bewohnten Insel« gegenüber, sogar in der »berichtigten« Fassung, deutlich zu spüren.
    In der Ihnen vorliegenden Ausgabe ist der ursprüngliche Text größtenteils wiederhergestellt worden. Natürlich war es nicht möglich, Maxim Kammerer, dem geborenen Rostislawski, seinen »Mädchennamen« zurückzugeben - er war inzwischen (wie übrigens auch Pawel Grigorjewitsch als Rudolf Sikorsky) zum Helden mehrerer Romane geworden, wo er just als Kammerer auftritt. Das konnte man nur überall oder nirgends ändern; ich habe es lieber nirgends geändert. Andere Änderungen, die die Autoren vornehmen mussten, haben sich letztlich als so glücklich erwiesen, dass ich beschlossen habe, sie im restaurierten Text beizubehalten - zum Beispiel die seltsam klingenden »Zöglinge« anstelle banaler »Häftlinge«
oder den »Rittmeister Tschatschu« statt des »Hauptmanns Tschatschu«. Der Großteil der knapp neunhundert Entstellungen jedoch wurde korrigiert und damit der Text in eine »kanonische Fassung« gebracht.
    Mir kommt in den Sinn, was der bekannte russische Schriftsteller Swjatoslaw Loginow erzählte: Unlängst trat er vor Schülern auf und versuchte, ihnen ein Bild von den unglaublichen und absurden Schwierigkeiten zu vermitteln, denen sich ein Schriftsteller Mitte der 1970er Jahre gegenübersah. Daraufhin fragte jemand aus der Klasse verwundert: »Wenn es so schwer war, gedruckt zu werden, warum haben Sie dann nicht Ihren eigenen Verlage gegründet?« Man merkt an solchen Fragen, dass der heutige Leser sich einfach nicht vorstellen kann, wie es in den 1960er und 1970er Jahren zuging, wie gnadenlos und ohne jedes Verständnis die Literatur (die Kultur überhaupt) von der allmächtigen Partei- und Staatsmaschinerie niedergedrückt wurde, auf welch einer schmalen und schwankenden Brücke sich jeder Schriftsteller mit Selbstachtung voranarbeiten musste. Einen Schritt nach rechts: Dort erwartete einen der Paragraph 70 des Strafgesetzbuches 6 - Prozess, Lager, Irrenhaus, im günstigsten Fall der Eintrag in die schwarze Liste, womit man an die zehn Jahre aus dem Literaturbetrieb ausgesperrt war. Einen Schritt nach links: Man fand sich in den Armen der Banditen und Nichtskönner wieder - als Verräter an der eigenen Sache, mit einem Gummigewissen, ein Judas, der die verfluchten Silberlinge zählte … Der heutige Leser kann dieses Dilemma wohl nicht mehr verstehen, der psychologische Abgrund zwischen ihm und den Angehörigen meiner Generation hat sich schon aufgetan, und es ist kaum damit zu rechnen, dass er von Texten
wie diesem Kommentar geschlossen werden kann. Die Freiheit ist wie die Luft oder die Gesundheit - solange man sie hat, bemerkt man sie nicht, man begreift nicht einmal, was es heißt, ohne sie oder außerhalb von ihr zu sein.
    Es gibt allerdings auch die Ansicht, dass gar niemand Freiheit brauche - Hauptsache, man sei frei von der Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen. Diese Ansicht ist derzeit recht populär. Es heißt: »Die beste Art von Freiheit ist es, frei von Sorgen zu sein.« Mag sein, mag sein … Aber das ist ein ganz anderes Thema.
    Als Kuriosum bleibt anzumerken, dass der 2008 von Fjodor Bondartschuk gedrehte Film Die bewohnte Insel - ein recht guter antitotalitärer Thriller, der der Handlung des Romans genau folgt - vom Publikum wohlwollend aufgenommen wurde und dass die Einzigen, die scharfe Kritik daran äußerten, unsere derzeitigen Kommunisten waren, die den Film (»im Gegensatz zum Buch«!) für nicht kommunistisch genug hielten.
Ein Käfer im Ameisenhaufen
    Alles begann damit, dass vor langer, langer Zeit mein
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