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Gerissen: Thriller (German Edition)

Gerissen: Thriller (German Edition)

Titel: Gerissen: Thriller (German Edition)
Autoren: Peter Abrahams
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hoffe, das ist nicht dein Ernst«, sagte er.
    Ivy antwortete nicht. Er trat von der letzten Stufe, stand auf dem Lehmboden, der Staub wirbelte nach wie vor umher.
    »Meinst du das ernst?«, fragte er. »Dass mein Talent nichts Besonderes ist?«
    Ivy schwieg weiter.
    Er kam näher. »Ist das dein Ernst? Ja oder nein?«
    Eine merkwürdige Situation, in der die mutigste Wahl eine Lüge war. Ivy tat das Mutige; eine kleine, partielle Wiedergutmachung für alles, was sie falsch gemacht hatte.
    »Ja«, sagte sie. »Das ist mein Ernst. Dein Talent ist nichts Besonderes.«
    Sein Gesicht veränderte sich, wurde blass und hässlich, seine Zähne waren gefletscht. Hatte Betty Ann ihn so als Letztes gesehen? »Vielleicht hast du recht«, sagte er, nicht laut, aber mit tieferer Stimme, als sie je gehört hatte. »Dass zwischen uns alles aus ist.« Der Lauf der Waffe hob sich ein paar Zentimeter.
    »Nicht«, sagte Ivy. »Es reicht.«
    Er nickte. »Aber so auf die Schnelle fällt mir nichts Besseres ein«, sagte er. »Dir?« Ein oder zwei Sekunden wirkte es, als würde er vielleicht lächeln oder sogar lachen.
    »Was ist so komisch?«
    »Nur dass du dein Leben mit einer rechtzeitigen Handlungsänderung retten könntest«, sagte er. »Eine echte Prüfung, wie viel Talent der Autor hat.«
    Spielte er mit ihr? War er dazu fähig? Wie hatte sie sich so täuschen können? Dieses Hassgefühl: Es kehrte zurück, zerrte an ihrem Gesicht. Ivy bemühte sich, es zu beherrschen. »Ich verschwinde«, sagte sie. »Ich habe dir nie etwas getan. Geh mir aus dem Weg.«
    Aber er rührte sich nicht. Der Lauf hob sich um weitere Zentimeter. Sie sah sich um. Die Treppe war der einzige Ausgang.
    »Geh ein Stück zur Seite«, kommandierte er. »Nur ein Stückchen.«
    Näher an das Loch. Stattdessen trat Ivy zurück, in Richtung des Heizkessels in der Ecke. Selbstverständlich wollte sie nicht sterben, aber noch weniger wollte sie unten in diesem Loch sterben, bei Betty Ann. Harrow folgte ihr.
    »Das ist zwecklos«, sagte er.
    »Stimmt genau«, erwiderte Ivy. »Ich bin nicht dein Problem.«
    »Ein loses Ende«, sagte Harrow, »ist ein Problem.« Sein Finger am Abzug verlagerte sich.
    »Nicht«, sagte Ivy.
    »Ich hege sehr starke Gefühle für dich«, sagte Harrow. »Was passieren wird, ändert nichts daran.«
    »Doch«, sagte Ivy. »Alles.«
    »Für dich vielleicht«, sagte Harrow. Der Lauf wanderte ein wenig höher, zielte jetzt auf ihr Herz.
    »Dich wird es auch verändern«, sagte Ivy.
    Er wirkte interessiert. »Ach. Wie denn?«
    Gab es eine richtige Antwort, eine, die ihr das Leben retten würde?
    Sie sollte es nicht herausfinden, denn in diesem Moment ertönte von oben ein gewaltiges Krachen, als hätte etwas Großes das Haus getroffen. Dann brach ein Polizist in Kampfmontur durch die Tür oben an der Treppe, gefolgt von einem zweiten, beide mit gezückten Waffen.
    »Fallen lassen«, brüllte der erste.
    Doch Harrow hörte nicht auf ihn. Er wirbelte bereits zu ihnen herum, der Lauf schwang hoch, so schnell.
    Tu’s nicht, tu’s nicht. Ivy glaubte aus vollem Hals zu schreien, aber kein Laut kam heraus. Die Polizisten feuerten, drei, vier, fünf, sechs Mal, weiter. Harrow stürzte, rollte bis zur Kante des Lochs, rührte sich nicht mehr, eine Hand hing herab.
    Mehr Polizisten stürmten die Treppe hinunter, einige in Uniform, andere nicht. Einer davon näherte sich Ivy: Ferdie Gagnon. Er ergriff ihren Arm.
    »Sie sind verhaftet«, sagte er.

    Dragan versuchte Danny dazu zu überreden, Ivys Verteidigung zu bezahlen, und scheiterte. Er organisierte Spendensammlungen im Verlaine’s. In dieser Zeit veröffentlichte der New Yorker »Höhlenmann« in seiner Ausgabe mit Erstlingswerken. Teilweise deswegen waren die Spendensammlungen ein Riesenerfolg. Herman Landau fand einen guten Verteidiger, begnadet in der Wissenschaft der Geschworenenauswahl. Außerdem hielt er ein ausgezeichnetes Schlussplädoyer, das dem Geschworenen Nummer zehn in der letzten Reihe die Tränen in die Augen trieb. Ivy erhielt sieben Jahre, was hieß, dass sie bei guter Führung nach vier draußen war.
    Die Strafvollzugsbehörde schickte sie in das Frauengefängnis unten im Süden. Sie befand sich seit einigen Wochen dort, als eine aufstrebende junge Lektorin von einem der großen Verlagshäuser sie besuchte. Ivy erzählte ihr von Die Vermesserin. Nicht lange danach unterschrieb sie einen Vertrag.
    Draußen in Hollywood verbündete sich Joel mit einem Produzenten und bot ihr
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