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Geraubte Seele

Geraubte Seele

Titel: Geraubte Seele
Autoren: Zoe Zander
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gewesen?
     
    „Du hast mich abgegeben, wie einen ausrangierten Mantel, den du nicht mehr brauchtest.“ Seine Schultern hingen plötzlich so, als hätte er keine Zeit, sich um seine aufrechte Haltung zu kümmern. Als wäre er mit etwas Wichtigerem beschäftigt. „Wo warst du, als mich all diese fremden Männer verletzten? Mit ihren Worten und ihren Taten? Als sie Dinge mit mir anstellten, die ich nicht wollte? Die mir zuwider waren? Als ich mich nach dir sehnte? Als ich nach dir rief? Als ich dich brauchte?“
    Und dann leuchtete es mir endlich ein. Er dachte nach. Nicht, weil er sich nicht erinnern konnte, sondern – weil es so viele waren, die er geradewegs in die Hölle geschickt hatte, so wie mich.
    „Du weißt wirklich nicht, wer ich bin?“ Ich konnte es nicht fassen. Sein mageres Erinnerungsvermögen verletzte mich mehr, als alles, was ich jemals ertragen musste.
    Ich holte aus der Gesäßtasche meiner Jeans ein zerknittertes und vergilbtes Foto heraus und schleuderte es ihm entgegen. Es landete genau vor seinen Füßen. Er beugte sich langsam runter, und ohne die Schachtel abzulegen, hob er das Foto auf. Dann betrachtete er das Bild. Das Bild, das er damals selbst geschossen hatte. Darauf saß ich auf der Couch in seinem Wochenendhaus. In meiner Hand hielt ich einen Zettel und zeigte der Kamera, was darauf geschrieben stand: Meine Seele für deine Liebe.
    „Mich hast du zurückgelassen, aber sie hast du mitgenommen.“ Nun war ich fertig. Stumm sah ich ihm zu, wie er mit sich haderte, mit der Wut kämpfte, weiter nachdachte und immer wieder kurz davor stand, etwas zu sagen und dann doch weiter schwieg.
    So starrten und schwiegen wir uns noch lange Minuten an. Ich überlegte derweilen, was ich gerne zu hören bekäme. Dass es ihm leidtat. Dass es unverzeihlich ist, was er mir angetan hatte. Irgendetwas in der Hinsicht, aber es kam nichts. Und dann sagte er plötzlich doch noch was.
    „Ich will nicht, dass du gehst.“ Seine Stimme klang wieder stark und auch seine Schultern hingen nicht mehr. Es war, als hätte er die Verzweiflung überwunden, neue Kraft gefunden und sogar einen Plan erstellt, was als Nächstes passieren sollte. Nur ich war nicht mehr ein Teil dieser Session.
    „Schau auf die Uhr. Die Zeit ist abgelaufen. Ich füge mich nicht mehr deinem Willen.“
    „Du verlässt mich nicht.“ Er legte das Foto auf die Liege, auf der vor Kurzem noch ich lag. „Mich hat noch nie eine Frau verlassen.“ Das war auch noch nie nötig. Wenn er einer überdrüssig wurde, entledigte er sich ihrer, indem er sie in einem Bordell zurückließ, wie ein lästiges Haustier.
    „Tja“, ich hob meinen Arm etwas an, um auf die Schachtel mit meinem Geschenk zu deuten. „Es liegt tatsächlich in deiner Hand. Tu, was du für richtig hältst“, beendete ich das Gespräch und drehte ihm den Rücken zu.
     
    ***
     
    „Mädels, verzeiht mir“, unterhielt ich mich im Geiste mit all den unbekannten Frauen, denen er ein ähnliches Schicksal beschert hatte. „Vielleicht hat eine von euch mehr Glück, oder wenigstens mehr Durchhaltevermögen als ich.“ Ich wischte mir die Träne von meiner Wange und versteckte mein Gesicht zwischen meinen Knien, um nicht beim Heulen erwischt zu werden.
    „Dein Tag ist wohl nicht nach deinen Vorstellungen gelaufen, was?“ Alex stand plötzlich hinter der Couch mit der viel zu niedrigen Rückenlehne, sodass er problemlos an mich ran kam. Auf einmal baumelte ein Blumentopf neben meinem Kopf. Ich nahm meine Hände von meinen Beinen und rutschte mit den Füßen über den Couchrand.
    „Hast du dir einen neuen Mitbewohner besorgt?“, bemerkte ich etwas unfreundlich, aber auch nur, weil ich ihn aus dem Wohnzimmer vertreiben wollte.
    „Das ist für dich, du Dummerchen.“ Er setzte sich auf die breite Lehne. Da mein Rücken meist nicht in der Lage war, irgendwo angelehnt zu werden, hatte ich mein Sofa unter dem Aspekt ausgesucht, dass ich bequem darauf liegen kann.  
    „Ich bin kein Dummerchen, eher eine saublöde Kuh“, seufzte ich laut und nahm den Topf mit der blauen Orchidee in die Hände. Ich ärgerte mich gerade über die vergeudeten Jahre, denn erreicht hatte ich nichts - außer einem dicken Bankkonto. Das ganze Geld hätte ich jetzt aus Frust auf einen Haufen schmeißen und anzünden können.
    „Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Ich war ein blödes Rindvieh. Ich hab dich einfach den allgemeinen Vorurteilen entsprechend behandelt, anstatt konkret nachzufragen und mir
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