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Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Titel: Geraeuschkiller - Mutige Liebe
Autoren: Eva Severini
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lästig
gewesen war, egal, was er tat.
    Ohrthor
lehnte benommen mit dem Rücken an dem Tresor. Eine dünne Eisschicht drang aus
allen seinen Poren, überzog seinen Kopf, sein Gesicht, seinen Hals, seine
Brust, seine Arme, seine Hände.
    Clara
erschrak. Er ist eingeschlossen in Eis!, dachte sie.
    Sein
Gesicht zuckte, als wollten viele kleine Muskeln in alle Richtungen
gleichzeitig ausbrechen. Die Eishaut riss, zerschmolz, glänzte wie Schweiß auf
seinem Körper und lief in feinen Rinnsalen über seine Schläfen, seinen Hals,
seine Arme hinunter.
    Clara
beobachtete ihn fassungslos.
    Seine Augen
waren aufgerissen, er würgte als müsse er sich übergeben, rang nach Luft. Sein
Körper krümmte und bäumte sich auf, als tobte ein fürchterlicher Kampf in ihm.
Er verkrallte die Hände ineinander, bis sie weiß wurden.
    Am liebsten
wäre Clara weggelaufen, aber ihre Füße waren wie fest geschweißt. Plötzlich sah
sie, dass Ohrthors Finger dem Mechanismus des Giftrings gefährlich nahe kamen.
Wegen der Krämpfe, die ihn schüttelten, bemerkte er es nicht.
    Clara hielt
den Atem an.
    Er schrie
auf. Der Giftstachel bohrte sich in seine Hand.
    Clara und
Dragu sahen sich an. Sie wussten, was jetzt geschehen würde. »Ein teuflisches
Geräusch im Kopf, eine Frequenz, so gewaltig, dass der Kopf zerbirst«, so hatte
Dragu die Wirkung des Gifts beschrieben.
    In Dragus
Augen funkelte es. Er will Rache, dachte Clara und fühlte, wie ihr Mund trocken
wurde. Sie wollte nicht Zeugin dieses grausigen Schauspiels werden. Niemals!
Mit aller Kraft riss sie sich los und rannte zum Höhleneingang hinauf.
    Ein Schrei
zerriss die Stille.
    Das Gift
wirkte.
    Clara hielt
sich im Laufen die Ohren zu, stolperte, lief weiter. Sie verabscheute Ohrthor –
und doch war etwas an ihm, das sie bewegte. Sie dachte an die zarte rosa Haut
im Innern seiner Ohren. An den kleinen Jungen mit den verstümmelten Ohren, den
die Kinder im Schulhof jagten, den sie im Schwimmbad untertauchten, bis er
glaubte, sterben zu müssen.
    Sie dachte
an seine Mutter, an ihren grausamen Mund, ihren eisigen Blick. Clara presste
die Hände noch fester auf ihre Ohren. Doch sie hörte seine Schreie immer noch.
Es zerschnitt ihr das Herz.
    Das Kind in
der wundersamen Hörschnecke kam ihr wieder in den Sinn, der gläserne Ring, der
seinen Hals eng umschloss. Und wie es sich verwandelt hatte in den zärtlichen Armen
des Paares, das aus den Silberschuppen aufgetaucht war. Wie hatte sein Anblick
sie ergriffen.
    Auch diese
Geschöpfe waren Ohrthors Werk.
    So fest sie
auch die Hände auf ihre Ohren presste, es half nichts, sie hörte seine Schmerzensschreie.
Sie begann zu summen. Ganz laut, um ihn zu übertönen.
    Es dauerte
ewig, bis er verstummte.
    Clara nahm
die Hände von den Ohren. Da war nur noch ein Wimmern. Dann Stille.
    Sie
wartete.
    Nichts
mehr.
    Es ist
vorbei, dachte sie und sank zusammen. Doch da hörte sie es wieder. Das Wimmern.
Kaum wahrnehmbar. Hilflos – wie von einem Kind. Dann wurde es still.
    Endgültig
still.
    Sie wusste
nicht, wie lange sie zusammengekauert im Höhleneingang ausgeharrt hatte. Erst
als es dunkel war, ging sie hinaus.
    Über dem
Felsenkamm stand der Mond. Er tauchte alles in ein fahles weißliches Licht.
Unten am See, neben dem riesigen schwarzen Tresor, saß Dragu. Reglos. Vor ihm
lag, zusammengekrümmt wie ein Embryo, Ohrthor. Aus der Entfernung sah er
unversehrt aus.
    Clara ging
langsam hinüber zu ihm. Sein Kopf war unverletzt! Das überraschte sie.
    Wie
zerbrechlich er aussah! Der Ausdruck auf seinem Gesicht rührte sie. Sie hockte
sich neben ihn und strich behutsam über seine Stirn. Seltsam, wie warm sie sich
noch anfühlte.
    Clara berührte
sanft das verstümmelte Ohr. Der Gehörgang schimmerte zartrosa wie das Innere
einer Perlenmuschel im Mondlicht.
    In diesem
Augenblick ging ein Seufzen durch Ohrthors Brust. Clara schrak zurück, zog
schnell ihre Hand weg.
    Er lebte!
    Seine Hand
irrte über den Boden. Matt und kraftlos. Als suchte sie etwas. Jetzt tasteten
seine Finger über Claras Beine, über ihren Schoß, fanden dort ihre Hand und
umschlossen sie. Fiebrig heiß fühlte er sich an. Und dann führte er ihre Hand
an sein Ohr. Dort hielt er sie fest. Clara wagte nicht, sich zu bewegen.
    Irgendwann
konnte sie nicht mehr gegen ihre Erschöpfung ankämpfen. Ihr Kopf sank auf
Ohrthors Brust. Tief und ruhig ging sein Atem.
    Sie schlief
ein.
    Scharfkantig
ragte der Tresor in den Sternenhimmel.

Der Tresor
     
    Die Sonne
stand hoch am Himmel, als
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