Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Geraeuschkiller - Mutige Liebe

Titel: Geraeuschkiller - Mutige Liebe
Autoren: Eva Severini
Vom Netzwerk:
Ist es gut so?«, sagte sie.
    Er befühlte
behutsam die rot geschwollenen Wülste um seine Ohrlöcher. Offenbar ließen die
Schmerzen ein wenig nach, er ließ die Arme sinken und wandte das Gesicht ab.
    »Hör mich
an, Ohrthor«, sie berührte scheu seine Hand. »Nur einen Augenblick. Warum
machst du das alles: Goldmund, die große Stille, die Smaragdhöhle? Warum?«
    Wieder
zuckte seine Glatze. Es verging eine halbe Ewigkeit, bis er antwortete.
»Goldmund ist … ich … wollte …« Er schaute zu Boden. Ihm war, als schließe sich
ein eiserner Ring um seinen Hals, der jedes Wort erstickte. Das Mädchen, das
alle Geräusche nachahmen konnte, und das sein Ohr so sanft berührte, dass ihm
butterweich wurde dabei – er mochte das Mädchen. Wie gern hätte er sich ihr
anvertraut, aber seine Stimme versagte.
    »Was
wolltest du?«, fragte Clara sanft.
    Die Worte
kamen stoßweise aus seinem Mund: »Wenn dir keiner zuhört …«, er sah sie nicht
an, »dann glaubst du irgendwann … du … bist nichts wert … eine Null, ein
Dreckhaufen … Du denkst … es gibt dich nicht. Ich wollte denen zeigen, dass es
mich gibt. Und wie es mich gibt! Das sollten die zu spüren bekommen.« Die Sätze
brachen wie Gesteinsbrocken aus ihm heraus: »Für immer sollte die Stille
dauern. Für immer und ewig!«
    Er schwieg.
    »Ohrthor«,
sagte Clara leise »Das Geheimnis des grünen Smaragg, das Grollen in der Tiefe …
Ist es das, wenn … wenn es da drinnen drückt und reißt …« Sie fasste sich an
die Brust. »Wenn es da drinnen wehtut, weil niemand dich mag? Und eng wird vor
Wut. Wenn es schreien will, weil niemand da ist, der sich freut, dass es dich
gibt. Ist es das, Ohrthor?«
    Er sah sie
an wie hypnotisiert. Seine Unterlippe bebte, bevor er sich überwand zu
sprechen: »Wenn du reden willst – und sie wenden sich ab ... «  Es fiel
ihm unendlich schwer auszusprechen, was er so lange in sich verschlossen hatte.
Ihm war, als verschließe ein Knebel seinen Mund. Aber das Mädchen hörte ihm zu!
Ihr musste er es sagen!
    »Verkriechst
dich …«, sagte er. »Hinter dicken Mauern … verkriechst du dich. Und willst doch
raus. Und kannst nicht. Und drehst dich im Kreis. Immer im Kreis.« Schleppend
fuhr er fort: »Wütet ein Feuer … da drinnen … ein furchtbares Feuer. Verbrennt
dich … tief da drinnen.« Er drehte an dem Ring mit dem Totenkopf.
    Clara
erstarrte. Was hatte er vor?
    Mit
flatterigen Fingern klappte er den Totenkopf nach oben, ein blutroter Rubin
wurde sichtbar. Sogleich hörten sie ein leises Summen. Bienen! Riesige Schwärme
von Bienen, die sich näherten, um gleich über sie herzufallen?
    Panik
schoss in ihr hoch. Auch Dragu sprang auf, sie lauschten.
    Aber sie
sahen nicht das Geringste.
    Nein, das
waren keine Bienen! Das waren Stimmen! Tausende Stimmen verwoben sich zu diesem
Summen und Raunen! Es stieg auf und nieder, pulsierte wie Herzschlag. »Hör mir
doch zu – bitte – einmal nur – hör mich an – warum hörst du mir nicht zu –
hörst du mich?«, raunten tausende Stimmen, Stimmen von Kindern, von Männern und
Frauen. Bittend, wütend, klagend, fordernd. Sie kamen aus dem Rubin.
    Mit einem
Mal sah Clara, dass der Adamsapfel an Ohrthors Hals krampfhaft auf- und
niederging. Begleitet von einem trockenen Schluckgeräusch. War er kurz davor zu
weinen?
    »Ohrthor!«
    Sie wollte
ihn berühren und hatte doch nicht den Mut.
    »Staut sich
da drinnen … Will ihn brechen … den Damm … Aber keiner …« Er schluckte trocken.
    »Keiner
will deine Traurigkeit sehen«, fuhr Clara fort. »Keiner will von deiner
Traurigkeit hören. Und um dein Herz wird es eisig kalt. Wie bei dem Kind in der
gläsernen Hörschnecke. Schwarze Tränen aus Stein steckten in seiner Brust. Und
Eis bedeckte sein Herz.«
    Ohrthor
schluckte wieder und wieder, sein Adamsapfel ruckte auf und ab.
    »Das ist
das Geheimnis der Wasserflut im grünen Smaragg, alle die ungeweinten Tränen?«,
sagte sie.
    Ohrthors
Blick hing an Claras Mund, als dürfte ihm kein einziges Wort entgehen. Er
wollte etwas sagen, formte es mit den Lippen, aber seine Stimme erstarb. Er
griff sich an die Brust.
    Und dann
hörten sie das Geräusch. Als ginge ein Riss durch einen gefrorenen See. Es kam
aus seiner Brust. Ganz leise war es, aber es traf Clara mitten ins Herz .
    Dragu
beobachtete ihn misstrauisch. Die Worte hatten auch ihn berührt. Auch er hatte
einmal so gefühlt. Irgendwann einmal. Zu Hause. Mein Gott, was hieß das schon, › zu Hause ‹ ! Wo er immer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher