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Georgette Heyer

Georgette Heyer

Titel: Georgette Heyer
Autoren: Serena und das Ungeheuer
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Serena,
Liebste, ich nehme an, du und Lady Spenborough werdet es am bequemsten auf dem
Sofa finden. Spenborough, willst du, bitte, hier Platz nehmen? Eaglesham, mein
Guter, wenn du, und – ah – Sir William hier Platz nehmen wollt, würde ich
Rotherham vorschlagen, es sich im Lehnstuhl bequem zu machen.»
    Da nur Mr. Eaglesham auf diese Rede
hörte, wurde nur er von ihr gereizt. Weil das Recht des Vortritts über Bord
geworfen worden war, hatte er die Bibliothek in Lord Dorringtons breitem
Kielwasser betreten. Er war mager, wie Seine Lordschaft korpulent, und trug
den abgehetzten Ausdruck, der – wie unfreundliche Leute versicherten – für den
Gemahl der Lady Theresa Carlow nur natürlich war. Da er mit der Schwester des
verstorbenen Earls verheiratet war, meinte er, mehr Recht als Dorrington zu
haben, die Leitung der Angelegenheit in die Hand zu nehmen, aber er wußte
nicht, wie er sich seiner versichern konnte; also mußte er sich
gezwungenermaßen damit zufriedengeben, daß er auf einen Stuhl lossteuerte, der
so weit wie möglich von jenem entfernt stand, den ihm Dorrington angewiesen
hatte, und Anspielungen auf anmaßende und aufdringliche alte Laffen vor sich
hinzumurmeln; was ihn besänftigte und für die anderen unhörbar blieb.
    Der Erste im Rang war der letzte,
der eintrat – der Marquis of Rotherham; er sagte: «Na, gehen Sie schon,
Menschenskind, so gehen Sie doch schon!», schob den Anwalt vor sich durch die
Tür und schlenderte hinter ihm drein in die Bibliothek.
    Kaum war er eingetreten, war jede
Gezwungenheit dahin. Lady Serena, die sich ja nie durch Sinn für Anstand
auszeichnete, starrte ihn ungläubig an und rief aus: «Ja, was in aller Welt
führt denn dich daher, möchte ich nur wissen?!»
    «Das möchte ich auch!» gab Seine
Lordschaft zurück. «Wie gut wir zusammengepaßt hätten, Serena! Wo wir soviel
gemeinsame Gedanken hegen!»
    Fanny, die an solche Wortwechsel
gewöhnt war, warf Serena nur einen flehenden Blick zu; Mr. Eaglesham lachte
kurz auf; Sir William Claypole war sichtlich erschrocken; Mr. Perrott, der
seinerzeit den Heiratsvertrag verfaßt hatte, schien plötzlich taub zu sein;
und Lord Dorrington, der eine Gelegenheit sah, sich schon wieder einmischen zu
können, sagte in einem Ton, der autoritativ klingen sollte: «Aber, aber! Wir
dürfen nicht vergessen, aus welch traurigem Anlaß wir uns hier versammeln!
Zweifellos ist mit der unvermeidlichen Anwesenheit Rotherhams eine kleine
Peinlichkeit verbunden. Ja, als ich von unserem guten Perrott erfuhr ...»
    «Peinlichkeit?» rief Serena, wurde
rot und ihre Augen blitzten. «Ich versichere dir, ich empfinde keine, mein
Verehrtester! Wenn sich Rotherham ihrer bewußt sein sollte, kann ich nur
sagen, ich bin erstaunt, daß er sich in eine Angelegenheit einzudrängen
beliebt, die nur die Familie etwas angeht!»
    «Nein, einer Peinlichkeit bin ich
mir durchaus nicht bewußt», antwortete der Marquis. «Nur einer unerträglichen
Langeweile!»
    Bedrückt wandten sich mehrere
Augenpaare Serena zu, aber sie war nie eine Kämpferin gewesen, der ein
Gegenschlag etwas ausmachte. Dieser schien ihre Wut eher zu besänftigen als
anzustacheln. Sie lächelte zögernd und sagte sanfter: «Na schön. Aber was hat
dich dann veranlaßt, herzukommen?»
    Mr. Perrott, der mittlerweile einige
Dokumente auf dem Tisch aus gebreitet hatte, hüstelte leicht und sagte: «Euer
Gnaden müssen wissen, daß der verstorbene Earl Lord Rotherham zu einem der Testamentsvollstrecker
bestimmte.»
    An Serenas weitaufgerissenen Augen
sah man, daß diese Mitteilung ebenso unerwartet wie unwillkommen war; sie ließ
den Blick voll Zweifel und Abscheu von Rotherham zum Anwalt gleiten. «Ich
hätte ahnen können, daß es so weit kommen würde!» sagte sie, wandte sich
betroffen ab und ging zu ihrem Stuhl in der Fensternische zurück.
    «Dann ist es jammerschade, daß du es
nicht geahnt hast!» sagte Rotherham ätzend. «Ich wäre dann rechtzeitig gewarnt
gewesen, um dieses Amt ablehnen zu können, für das es wohl kaum einen Ungeeigneteren gibt
als mich!»
    Sie gönnte ihm keine Antwort,
sondern wandte sich ab und starrte wieder aus dem Fenster. Ein böser Geist gab
ihrem Vetter ein – der mit seiner neuen Würde noch nicht zurechtkam –, sich Autorität
anzumaßen und vorwurfsvoll zu sagen: «Ein solches Benehmen ist sehr unpassend,
Serena! Ich muß das feststellen, da ich durch das jüngste unglückselige
Ereignis Chef des Hauses geworden bin. Ich weiß wirklich nicht,
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