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Geloescht

Geloescht

Titel: Geloescht
Autoren: Teri Terry
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schließlich meinen Zeichenblock hervorholte und ein paar Stunden lang malte. Erst in den frühen Morgenstunden, als bereits die ersten Lichtstrahlen ins Zimmer fielen, konnte ich wieder einschlafen.
    Was hatte mein Traum zu bedeuten?
    Wenn meine Wut eingesperrt ist, muss sie dort bleiben. Doch der Schmerz lauert so immer dicht unter der Oberfläche. Ich kann meine Gefühle für Ben nicht abschalten. Genauso wenig wie ich länger verleugnen kann, wer ich bin und wer ich mal war.
    All diese Traumfragmente: flüchtige Wahrheiten und Halbwahrheiten, reale oder eingebildete Ereignisse. Wie soll ich sie unterscheiden? Ich kann es nicht.
    Ich habe auch nicht direkt gemerkt, dass Dr. Lysander gelogen hat. Und wie kann ich überhaupt sicher sein, dass das, was Ben wollte, wirklich falsch war?
    Aiden hat recht. Wenn Ben wirklich gestorben ist, tragen ganz eindeutig die Lorder und ihre Krankenhäuser die Schuld daran. Die Regierung und Ärzte wie Dr. Lysander.
Sie
sind der Feind. Nicht Aiden.
    Ja! Richte deine Wut auf sie!
    Nein, damit lag Ben falsch. Er hat geplant, sich den Terroristen anzuschließen. Er hat mir nur sehr wenig erzählt, denn er wollte nicht, dass ich irgendetwas erfuhr, das mir später hätte Ärger bereiten können. Es gab keinerlei Verbindung zwischen mir und seinen Taten und Plänen, aber ich bin mir sicher, dass er zu den RT stoßen wollte.
    Ich
will das nicht.
    Aidens Antworten sind gefährlich. Aber die Art, wie er die Dinge angeht, ist richtig.
    Ich nehme meine Zeichnungen der Nacht hervor und da sind sie, die Vermissten: Ben, Phoebe, sogar Lucy. Ich kann ihnen nicht den Rücken zukehren. Die Welt muss von ihnen erfahren. Und am wichtigsten ist es für mich herauszubekommen, was mit Ben passiert ist.
    Amy sitzt unten in der Küche und macht Hausaufgaben. Dad ist noch unterwegs und Mum kocht Suppe.
    Sie lächelt, als ich in die Küche komme. »Na, endlich aufgewacht? Man sieht, dass dir das Ausschlafen gutgetan hat.«
    Ich lächle zurück. Es waren gar nicht so viele Stunden Schlaf. Aber anstatt mit mir selbst zu kämpfen, weiß ich jetzt, was ich tun will – was ich tun
muss
. Seit ich Aiden zum ersten Mal getroffen habe, habe ich mich nicht mehr so ruhig gefühlt.
    Â»Ich gehe ein bisschen spazieren«, kündige ich an.
    Mum sieht zum Fenster hinaus. Die Sonne scheint, doch schwere, schwarze Wolken ziehen von Westen heran und bedecken bereits den halben Himmel. »Aber besser nicht so lang.«
    Â»Soll ich mitkommen?«, fragt Amy.
    Â»Nein, ich möchte allein gehen.«
    Â»Bleib auf den Hauptstraßen, Kyla«, ruft mir Mum nach.
    Ich gehe durchs Dorf, an dem Weg vorbei, den Amy und Jazz immer nehmen. Wo Ben und ich ihnen vorausgegangen sind – nein, vorausgerannt sind – und wo so viele Dinge geschehen sind.
    Ich laufe weiter bis zum Ende des Dorfes, an einer Farm vorbei, zu einem Waldstück. Gerade will ich umkehren, als ich im Augenwinkel eine Bewegung wahrnehme.
    Ich drehe mich um. Erst kann ich nichts erkennen, aber dann suche ich die Felder und Bäume ab … und da ist sie. Eine Eule, die auf einem Zaunpfahl sitzt. Sie ist schneeweiß und sieht mich an. Sie überblickt die Welt, als gehöre sie ihr. Doch es ist mitten am Tag, und sogar ich weiß, dass Eulen Nachttiere sind.
    Aber das hat ihr wohl niemand gesagt.
    Fasziniert starre ich sie an.
    Die Eule starrt zurück und ich gehe auf sie zu. Dabei bewege ich mich auf einem schmalen Pfad zwischen Zaun und Wald von der Straße weg. Ich komme ihr nah genug, um ihre Augen und ihre Federn genau zu erkennen. Dann fliegt sie weg und mit ihren ausgebreiteten weißen Flügeln sieht sie dabei aus wie die Metallskulptur. Sie macht einen Bogen und landet dann wieder – an einem Tor am Ende des Feldes, vielleicht 20 Meter von mir entfernt. Sie fixiert mich mit ihren Augen.
    Wartet sie?
    Also folge ich ihr. Wir wiederholen diesen Tanz mehrmals. Jedes Mal halbiere ich die Distanz zwischen uns, sie fliegt weiter und wartet dann, bis ich nachkomme.
    Das geht eine Weile so, bis wir tief im Wald sind und ich merke, dass ich mich völlig verirrt habe. Mein übliches kartografisches Gedächtnis ist weg. Ich habe nicht darauf geachtet, wohin ich laufe, weil ich den Flug der Eule verfolgt habe. Plötzlich drängen Wolken schwarz und düster herein. Bald wird es regnen. Inzwischen sitzt die Eule auf einem hohen Ast, sodass sie nicht
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