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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia
Autoren: Karl Plepelits
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mich voller Aufregung und Ungeduld, aber ohne das geringste Geräusch zu verursachen, empfängt. Da erfüllt mich eine unbändige Wut, und ich ergreife meinen Dolch, hole aus und ramme ihn Aristomachos in die Brust. Er stößt einen erstickten Schrei aus - eigentlich ist es mehr ein Röcheln -, zuckt ein- oder zweimal und rührt sich dann nicht mehr. Er ist tot. Ich lausche mit angespannten Sinnen. Im Haus herrscht tiefe Stille, alles schläft. Da nehme ich Hyperanthes bei der Hand und schleiche mich, so, wie ich bin, gemeinsam mit ihm unentdeckt aus dem Haus, und zwar auf demselben Weg, auf dem ich hereingekommen war. Sobald wir über die Gartenmauer geklettert waren, schlugen wir, barfuß, wie wir waren, den Weg zum nächsten Stadttor ein. Vor diesem stand bereits ein Wagen, gelenkt von meinem Lieblingssklaven, zu unserem Empfang bereit. Dort angelangt, bestiegen wir diesen sofort, der Sklave schwang die Peitsche, und der Wagen setzte sich in Bewegung, während in seinem Innern Hyperanthes in meinen Armen lag und wir unser Glück kaum zu fassen vermochten. Wir nahmen die Straße nach Perinthos und fuhren die ganze Nacht hindurch, ohne anzuhalten, und so schnell es die Pferde schafften, in der Hoffnung, im Morgengrauen Perinthos zu erreichen und dort ein Schiff vor Anker zu finden. Und in dieser Hoffnung wurden wir nicht enttäuscht. Als wir nämlich im Hafen von Perinthos ankamen, fanden wir ein zum Auslaufen bereites Schiff, das soeben im Begriffe stand, seine Hecktaue zu lösen. Ohne auch nur zu fragen, wohin es fahre, machten wir uns daher, ohne daß irgend jemand davon wußte, daran, vom Land aufs Meer umzusteigen, und die Zeit war kurz vor Tagesanbruch. Die Fahrt des Schiffes ging nach Ephesos, jener ersten und größten Metropole Asiens. Freude war mein erstes Gefühl, während ich das Meer betrachtete, als sich das Schiff noch gar nicht auf offener See befand, sondern noch am Kai schaukelte. Als der Wind fürs Auslaufen günstig schien, da herrschte auf einen Schlag ein Riesentrubel auf dem Schiff: die Matrosen liefen kreuz und quer, der Steuermann schrie seine Befehle, die Taue wurden gezogen, die Rah wurde herumgedreht und das Segel herabgelassen; das Schiff löste sich von der Kaimauer, man holte die Anker ein, und der Hafen blieb mehr und mehr zurück. Wir sahen, wie das Land vor dem Schiff allmählich zurückwich, als wäre es selbst in Bewegung. Man sang Freudenlieder und wünschte einander allgemein Glück; man rief die Schutzgottheiten an und betete um einen glücklichen Verlauf der Reise. Der Wind wehte immer kräftiger, das Segel blähte sich und zog das Schiff unaufhaltsam durch die Fluten.
    Und eine Zeitlang ging die Fahrt gut. Als wir aber den dritten Tag unterwegs waren und uns gerade auf der Höhe von Lesbos befanden, da zogen plötzlich finstere Wolken auf, und ein schwerer Sturm fiel über unser Schiff her. Um die Mittagszeit verschwand die Sonne vollständig, und wir konnten uns gegenseitig etwa ebenso deutlich sehen wie bei Mondlicht. Dann brach ein fürchterliches Gewitter über uns los, und zum Getöse des Sturms und der hohen Wellen kam noch das Dröhnen der Donnerschläge und schließlich das Prasseln des Wolkenbruchs. Wir selbst aber wurden durch das heftige Schlingern des Schiffes in einem fort durcheinandergewirbelt, und alles war erfüllt mit Klagen und Geheul. Da befahl der Steuermann, Ladung und Gepäck über Bord zu werfen. Und nun erging es Silber und Gold um nichts besser als irgendeinem der weniger wertvollen Gegenstände: alles schleuderten wir ohne Unterschied aus dem Schiff; sogar von den Kaufleuten packten viele eigenhändig ihre Waren, auf die sie ihre ganze Hoffnung gesetzt hatten, und stießen sie in fieberhafter Eile von sich. Und schon war das Schiff von allen beweglichen Gütern entblößt; doch der Sturm ließ sich durch unser Opfer nicht besänftigen.
    Schließlich gab der Steuermann auf. Er ließ das Steuerruderpaar aus den Händen und überließ das Schiff den Wogen. Er ließ das Rettungsboot klarmachen, befahl der Besatzung in dieses einzusteigen und kletterte als erster das Fallreep hinunter; und jene sprangen ihm auf der Stelle nach, einer dicht nach dem anderen. Da herrschte nun erst so richtig Panik und Entsetzen. Denn sobald sich die Besatzung zur Gänze ins Rettungsboot geflüchtet hatte, ließ sie von den Passagieren keinen mehr zusteigen. Sie hatten Dolche und Messer bei sich und drohten damit jedem, der aufs Boot kommen würde. Trotzdem glückte es
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