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Geliebte Feindin

Geliebte Feindin

Titel: Geliebte Feindin
Autoren: Julie Garwood
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erwiderte Nora und bewegte sich mit steifen Schritten auf die Tür zu. »Gütiger Himmel«, flüsterte sie, »wenn mich deine Mutter jetzt sehen könnte, würde sie sich in Grund und Boden schämen. Mitten in der Nacht gehe ich im Nachthemd und einem geliehenen Mantel auf der Straße spazieren!«
    Sara lächelte. »Wir werden ihr einfach nichts davon erzählen.« Als sie das verzerrte Gesicht ihrer Tante sah, erschrak sie. »Du hast schreckliche Schmerzen, nicht wahr?«
    »Unsinn«, gab Nora zurück. »Ich fühle mich schon sehr viel besser. Komm jetzt«, setzte sie in strengerem Ton hinzu. »Wir sollten hier nicht herumtrödeln.« Sie hielt sich an dem Eisengeländer fest und ging die Außentreppe hinunter. »Es braucht mehr als einen Winchester, um mich unterzukriegen.«
    Sara wollte die Tür hinter sich zuziehen, überlegte es sich aber anders und sagte: »Ich glaube, ich lasse die Tür lieber weit offen. Vielleicht kommt da jemand vorbei, der sich mit Onkel Henrys Habseligkeiten bedienen möchte. Aber wahrscheinlich geht meine Hoffnung nicht in Erfüllung. Ich bin auf dem ganzen Weg hierher nicht einem einzigen Menschen begegnet, der so aussah, als ob er Böses im Schilde führen würde.«
    »Großer Gott, Sara, heißt das, daß du zu Fuß hierhergekommen bist?« fragte Tante Nora entsetzt.
    »Ja, das bin ich«, antwortete sie mit einer Spur Stolz in der Stimme. »Aber es ist alles gutgegangen, ich mußte kein einziges Mal meinen Regenschirm benutzen, um einen Bösewicht abzuwehren … Himmel, ich habe meinen Schirm auf dem Fenstersims liegenlassen.«
    »Laß ihn dort«, befahl Nora, als Sara Anstalten machte, ins Haus zurückzulaufen. »Wir sollten unser Schicksal nicht über Gebühr herausfordern. Gib mir deinen Arm, Liebes. Ich stütze mich ein wenig auf dich, bis wir die Kutsche erreichen. Bist du wirklich zu Fuß gegangen, Sara?«
    Sara lachte. »Um die Wahrheit zu sagen, ich bin die meiste Zeit gerannt. Ich habe mich gefürchtet, aber es ist ja nichts passiert. Ich denke, daß all das Gerede über die unsicheren Straßen von London übertrieben ist.«
    Die beiden Damen verschwanden in der Finsternis, nur Saras Lachen war noch zu hören. Die Kutsche erwartete sie an der nächsten Straßenecke. Sara half ihrer Tante gerade in das Gefährt, als sich ein finsterer Geselle näherte. Nathan verhinderte ein Unheil, indem er sich dem Mann in den Weg stellte. Als der Gauner die kräftige Gestalt sah, machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand im Schatten.
    Nathan glaubte, daß ihn die ältere Lady entdeckt hatte. Sie sah gerade in dem Augenblick über die Schulter, in dem er ins Mondlicht trat, aber er vermutete, daß ihre Augen altersschwach waren, denn sie drehte sich um, ohne die geringste Reaktion zu zeigen.
    Sara war zu beschäftigt, mit dem Kutscher über den Fahrpreis zu streiten, um zu bemerken, was um sie herum geschah. Nach längerem Feilschen nahm sie neben ihrer Tante auf dem Sitz Platz. Als sich die Droschke in Bewegung setzte, schwang sich Nathan auf das hintere Trittbrett. Das Gefährt ruckte ein wenig wegen des zusätzlichen Gewichts, bevor es Geschwindigkeit zulegte.
    Sara machte Nathan die Entführung wirklich leicht. Er hatte gehört, wie sie ihrer Tante erzählt hatte, daß sie London mit dem Schiff verlassen wollten, also nahm er an, daß sie jetzt zum Hafen fuhren. Aber plötzlich hielt die Kutsche in einer Seitenstraße vor einer der verrufensten Spelunken der Stadt.
    Sie will diesen verdammten Ehering holen, dachte Nathan grimmig. Er sprang vom Trittbrett und trat hinter der Droschke ins Licht, um sich den Männern, die vor der Kneipe herumlungerten, zu zeigen. Er baute sich breitbeinig vor ihnen auf, legte die Hand auf den Griff der zusammengerollten Peitsche, die in seinem Gürtel steckte, und musterte das Grüppchen mit finsterem Blick.
    Als die Männer ihn gewahrten, zogen sich drei von ihnen in den Schankraum zurück. Die anderen vier lehnten sich an die Mauer und richteten ihre Blicke auf den Boden vor sich.
    Der Kutscher sprang vom Bock und ging zum Fenster der Droschke, um weitere Instruktionen entgegenzunehmen. Dann eilte er in die Taverne und kehrte nach knapp einer Minute zurück. Bevor er seinen Platz auf dem Kutschbock wieder einnahm, brummte er, daß er für all den Ärger, den er überstanden hätte, eine dicke Belohnung verdient habe.
    Kurze Zeit später öffnete sich die Tür der Taverne erneut. Ein Mann mit mürrischer Miene und einem riesigen Bauch kaum heraus. Seine vom
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