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Geködert

Geködert

Titel: Geködert
Autoren: Len Deighton
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paar Jahren meine Frau zu den Russen übergelaufen war, allein mein Vertrag mit der Londoner Zentrale meine Bona fides. Wenn sie dort auf meine Dienste verzichteten – ganz gleich, wie elegant sie mich loswurden –, konnte es sehr leicht passieren, dass ich mit meinem »unbefristeten« Visum für »unbeschränkte« Reisen in die USA nicht mehr bis dahin kam, wo mein Gepäck auf mich wartete. Natürlich hätte es sich eine wirklich mächtige, unabhängige Firma leisten können, eine offizielle Missbilligung zu missachten, aber mächtige, unabhängige Firmen wie diese freundlichen Leute, für die Jim arbeitete, waren gewöhnlich versessen darauf, die Regierung bei Laune zu halten.
»Wenn dieses Jahr nicht besser wird als das letzte, werden wir Leute entlassen müssen«, sagte er verlegen.
»Wie lange wird es dauern, bis ich hier ein Taxi kriege?«
»Ich meine, ob ich nun da in London antanze oder nicht, kann dir persönlich doch egal sein, oder?«
»Irgend jemand hat mir erzählt, dass manche Taxis bei diesem Wetter überhaupt nicht zum Flughafen hinausfahren.« Kriechen wollte ich jedenfalls nicht vor ihm, ganz gleich, wie dringlich London es machte.
»Wenn es für dich ist, brauchst du’s nur zu sagen. Ich weiß, dass ich dir etwas schuldig bin, Bernie.« Da ich nicht antwortete, erhob er sich. Und wie durch ein Zauberwort gerufen, erschien die Sekretärin an der Tür, und er wies sie an, mir einen Wagen zu besorgen. »Musst du noch irgendwo was abholen?«
»Direkt zum Flughafen«, sagte ich. Meine Hemden, Unterwäsche und Rasierutensilien steckten in der Ledertasche, zusammen mit den Fernschreiben, die mir die Botschaft mitten in der Nacht herübergeschickt hatte. Die hätte ich Jim zeigen sollen, aber geändert hätte das nichts. Er war entschlossen, der Londoner Zentrale zu beweisen, dass sie und ihre Probleme ihm scheißegal waren. Er wusste, dass er nichts zu befürchten hatte. Als er ihnen seine Absicht, in Washington zu arbeiten, eröffnete, hatten sie sein Leben in alle Einzelteile zerlegt und ihm eine Sicherheitsüberprüfung verpasst, wie sie nicht einmal bei einer Aufnahme üblich ist. Nur wenn einer ausscheidet. Vor allem aus der Code-Abteilung.
Jim Saubermann Prettyman brauchte sich also keine Sorgen zu machen. Er war immer ein vorbildlicher Angestellter gewesen. Das war sein Modus operandi. Nicht einmal einen Bleistift oder ein Päckchen Büroklammern aus dem Büro hatten sie bei ihm zu Hause gefunden. Es ging das Gerücht, das mit der Untersuchung beauftragte Team von K-7 sei schließlich so frustriert gewesen, dass sie das handgeschriebene Kochbuch seiner Frau mitnahmen und es unter ultraviolettem Licht prüften. Aber Jims Exfrau war nicht der Typ, handschriftliche Kochrezeptsammlungen anzulegen, die Geschichte könnte also sehr wohl nur erfunden sein, um die Leute von K-7 lächerlich zu machen. Niemand mag sie. Und derartige blöde Geschichten wurden damals haufenweise erzählt. Meine Frau war gerade übergelaufen, und jeder war nervös.
»Du arbeitest doch mit Bret Rensselaer. Rede mal mit Bret. Der weiß, wo die Leichen verscharrt sind.«
»Bret ist nicht mehr bei uns«, erinnerte ich ihn. »Er wurde erschossen. In Berlin … schon vor einer Ewigkeit.«
»Richtig, hatte ich vergessen. Armer Bret, natürlich habe ich das damals gehört. Er hat mich zum ersten Mal hierher geschickt, ich habe ihm eine Menge zu verdanken.«
»Weshalb sollte Bret Bescheid wissen?«
»Über den Schmiergeldfonds, den die Hauptkasse mit den Deutschen eingerichtet hat? Soll das ein Witz sein? Bret hat die ganze Sache doch gedeichselt. Er ernannte die Direktoren der Firma – alles Strohmänner natürlich – und stimmte alles ab mit den Leuten, die die Bank leiteten.«
»Das war Bret?«
»Die Bankdirektoren waren sämtlich seine Leute, und Bret gab ihnen Instruktionen.«
»Das ist mir neu.«
»Aber sicher. Es ist wirklich schade. Eine halbe Million Pfund hätte nicht verschüttgehen können, ohne dass Bret nicht mindestens geahnt hätte, in welcher Richtung danach zu suchen ist.« Jim Prettyman blickte zur Tür, in der wieder seine Sekretärin stand. Sie hatte anscheinend genickt oder sonst ein Zeichen gegeben, denn Jim sagte: »Der Wagen ist da. Ich meine, es eilt nicht, aber du kannst fahren, sobald du willst.«
»Hast du mit Bret zusammengearbeitet?«
»An dieser deutschen Sache? Ich habe die Bargeldüberweisungen abgezeichnet, wenn sonst niemand da war, der es hätte tun können. Aber alles, was ich tat, war höheren
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