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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde
Autoren: Glen Cook
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»Kelle, was werden Sie machen?«
    Sie sah mich an, als hätte ich eine selten blöde Frage gestellt. »Was ich schon immer gemacht habe, Jüngelchen. Ich kümmere mich um das Haus.«
    »Wenn ich etwas für Sie tun kann, dann setzen Sie sich mit mir in Verbindung.« Erst dann folgte ich Morpheus hinaus. An den alten Mann verschwendete ich keinen Gedanken. Selbst wenn draußen alle Ärzte des Aderlaß-Hospitals gestanden hätten, hätte ich vermutlich seine kleine Unpäßlichkeit ihnen gegenüber nicht erwähnt.
    Peters wartete an der Tür zur Eingangshalle, als Morpheus und ich dort ankamen. Wir hatten die Gemälde und mein Zeug dabei. Er stierte in die große Halle, wie ich auf Bradons Sumpfgemälde mit dem Gehängten gestiert hatte, und hielt eine Schaufel in der Hand. Er hatte einige Gräber auszuheben. Ob wohl irgend jemand sich die Mühe machen würde, auf das von Stantnor einen Grabstein zu setzen? »Ich habe wohl kaum Grund, mich zu bedanken, Garrett. Sie sind gekommen, als ich Sie gerufen habe, aber ich hätte Sie nicht aufgesucht, wenn ich gewußt hätte …«
    »Ich wäre nicht gekommen, hätte ich das vorausgesehen. Wir sind quitt. Was werden Sie jetzt tun?«
    »Die Toten begraben und dann verschwinden. Vielleicht trete ich wieder in das Corps ein. Sie werden uns Veteranen dringend brauchen, weil Großmond jetzt Amok läuft. Außerdem kann ich nichts anderes.«
    »Ja. Viel Glück. Vielleicht sehen wir uns ja irgendwann mal wieder, Sergeant.«
    »Klar.« Wir wußten beide, daß wir uns nie wiedersehen würden.
    Ein grauenhafter Schrei erklang von oben. Er hörte nicht auf, bis es schien, als könnte kein Mensch so schreien. Wir sahen hoch. »Anscheinend ist er tot«, stellte Peters fest. Seine Stimme klang kalt.
    Dann schrie wieder jemand. Diesmal war es ein Schrei voll wahnsinniger Wut. Kelle brüllte auf. »Miss Jenny, kommen Sie zurück!«
    Das Mädchen war vollkommen übergeschnappt. Sie stürmte aus dem Flur im vierten Stock und hielt einen Dolch in der Hand. Sie schrie, und ich erkannte bestürzt, daß sie meinen Namen rief.
    »Beweg dich, Garrett«, sagte Morpheus. Er hatte zuvor schon Berserker erlebt. Selbst eine neunzig Pfund schwere Frau konnte mich in diesem Zustand in Stücke reißen.
    Jennifer war so rasend, daß sie nicht mehr wußte, wo sie sich befand. Und es fiel ihr zu spät ein. Sie rammte mit voller Wucht das Geländer der Empore.
    Und stürzte meinem heldenhaften Ritter in den marmornen Schoß. Zerschmettert glitt sie an ihm herab und landete am Fuß des Drachen. Sie sah aus wie die Beute der Bestie. Als wäre der Held einen Moment zu spät zu ihrer Rettung gekommen.
    Aber dieser Held war sowieso viel zu spät dran, um noch irgend jemanden retten zu können.
    Ich drehte mich um und ging. Morpheus blieb dicht hinter mir, nur für den Fall, daß ich auf die verrückte Idee käme, zurückzugehen.
    Auf dem Heimweg waren Morpheus und ich sehr schweigsam. Nachdem ich etwas davon gemurmelt hatte, mir einen anderen Job zu suchen und er mir geraten hatte, mich nicht zum Narren zu machen. Ich fragte ihn, ob er etwas hatte mitgehen lassen, oder vorhatte, der Villa Stantnor um Mitternacht einen kleinen Besuch abzustatten. Wenn ich ihn so etwas frage, dann sieht er mich normalerweise an, als habe er nicht den leisesten Schimmer, wovon ich eigentlich redete.
    »Ich würde aus diesem Haus nicht mal etwas mitnehmen, wenn du mich dafür bezahlen würdest, Garrett. Du könntest mich anflehen, die Antwort lautet nein. Dort herrscht Finsternis, in jedem Stein, in jedem Teil. Überall.«
    Wir redeten nicht mehr, bis wir in die Macunado Street kamen und auf mein Haus zugingen. »Geh rein und besauf dich. Laß dich bis zum Rand vollaufen, bis es dir zu den Ohren rauskommt. Und dann sauf weiter. Kotz das Gift aus.«
    »Das ist die beste Idee, die du seit Jahren gehabt hast.«
     
     
     

 
43. Kapitel
     
    Dean ließ mich ein. Er wirkte älter und hagerer, obwohl ich nur ein paar Tage fort gewesen war. »Mr. Garrett. Wir haben uns Sorgen gemacht, weil wir so lange nichts von Ihnen gehört haben.«
    »Wir?« knurrte ich. Er fing schon wieder an, sich über mich aufzuregen.
    »Er.« Er nickte in Richtung Zimmer des Toten Mannes. »Er ist wach, seit Sie gegangen sind. Anscheinend hat er erwartet, daß Sie ihn um Hilfe bitten.«
    »Den Fall hab ich allein geschafft.« Und wie!
    »Oh.« Er begriff den Grund für meine schlechte Laune. »Ich werde wohl besser ein Bierchen zapfen.«
    »Vielleicht schaffe ich heute
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