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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd
Autoren: Jo Clayton
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darauf sitzen kann.
    Und ich hasse den Gedanken daran, sterben zu müssen.
    Und ich hasse den Gedanken daran, unter dieser Kröte von einem Mann liegen und ihn alles mit mir machen lassen zu müssen, was er will.
    Obgleich mein Vater mehr darauf erpicht ist, die Rebellion zu zermalmen, als mich verheiratet zu sehen, ist er doch ein verschlagener Fuchs, und wenn er eine Tat mehreren Zielen dienen lassen kann, so erfreut ihn dies ganz besonders. Er ist zufrieden genug mit meinem Aussehen und der Gelehrsamkeit, die ich in diesen vielen Jahren gezeigt habe. Inzwischen sind alle meine anderen Schwestern verheiratet, Jantig war die letzte. In den vergangenen drei Jahren habe ich mich mucksmäuschenstill verhalten, doch nachdem meine Stiefmutter tot und nicht mehr zugegen war, ihn daran zu erinnern, daß er eine unverheiratete Tochter im Turmzimmer sitzen hatte, vergaß er mich ganz einfach, bis diese Konferenz von ihm Besitz zu ergreifen begann.
    Dennoch - was er für mich plant, macht mir nicht wirklich etwas aus, weil ich meine eigenen Pläne habe. Auf gewisse Art und Weise muß ich mich weiterhin dazu überreden - muß ich mir vor Augen halten, wie wenig Macht ich habe, mein Leben zu verändern, und wieviel mein Tod bedeuten würde, könnte ich die Tejed mit mir nehmen.
    Lilit las die zuletzt geschriebenen Worte noch einmal, legte daraufhin die Schreibfeder nieder, rieb brennende Augen und strich mit der Spitze ihres Zeigefingers über die kühle Oberfläche des elfenbeinfarbenen Papiers. Sie schloß das Buch und fuhr die in den weichen Ledereinband geprägten Muster nach. Das Buch war alt, das schwere Papier an den Rändern vergilbt.
    Draußen schlug der Regen auf die Energiekuppel und glitt jenseits der Mauern als grauer, treibender Vorhang zum Boden nieder, was der Aussicht eine gespenstische Unwirklichkeit verlieh. Sie behielt den Vorhang vom Fenster zurückgezogen, weil ihr der Hauch des Mondlichts auf dieser Szenerie gefiel, weil dies auf eine gewisse Art und Weise die würgende Enge der Welt, in der sie lebte, zu erweitern schien, das Turmzimmer, die Löcher in den Wänden, den Garten auf dem Dach des Turmes, das Speisezimmer, in dem sie hin und wieder für ihren Vater als Gastgeberin agierte, ein Rund, welches sie genauso gut kannte wie die Linien in ihren Handflächen. Sie nahm keine Kerzen mehr mit in die Wände, ihre Füße lasen den Weg für sie von den Steinen ab, selten brauchte sie zu überlegen, wo sie war oder wohin sie gehen wollte, sie rannte durch die Tunnel, ein alles sehendes Gespenst hinter den Mauern. Die Gucklöcher waren wie das Fenster in ihrem Turmzimmer und schenkten ihr einen flüchtigen Ausblick in eine Welt, mit der sie niemals in Berührung kommen würde.
    Sie gähnte, unendlich müde, hoffte auf Schlaf, obgleich dies immer eine riskante Sache für sie war. Es war spät, sehr spät, und am Morgen hatte sie viele Dinge zu tun. Sie nahm das Buch auf, hielt es einen Moment lang fest. Ein Kribbeln hinter den Augen ließ sie unwillig den Kopf schütteln. Seit der Vater ihr Metis genommen hatte, seit Metis bei der Geburt seines Kindes gestorben war, gab es niemanden mehr, mit dem sie reden konnte - nur diese glatten, stummen Seiten waren ihr geblieben. Sie schob den Stuhl zurück und stand auf. An der Wand drückte sie auf einen bestimmten Bereich des Schnitzwerkes. Eine kleine Tafel klappte auf. Sie legte das Buch in die freigelegte Vertiefung, schob die Tafel wieder zu, wobei ihre Hände auf dem Holz zitterten. Sie war sich nie sicher, wieviel ihr Vater über die geheimen Plätze in der Burg wußte, zählte jedoch auf seine unausgesprochene, aber offensichtliche Verachtung für die weiblichen Mitglieder seiner Familie. Was sie bisher niedergeschrieben hatte, reichte bei weitem, um ihr den Strick des Würgers und jenen, die sie in dem Buch benannte, den Tod durch die Spansir-Peit-schung zu garantieren. Dies war es, was ihr am meisten zusetzte, die anderen zu verraten, welche mit ihren Plänen zu tun hatten, doch sie brauchte das Buch und dieses Erzählen aus ihrem Leben, sie sagte darin Dinge, die sie unbedingt sagen mußte, Dinge, die sie keinem anderen erzählen konnte. Nicht einmal Acthon. Sie drückte die Tafel zu, streifte ihren Morgenrock ab, hängte ihn ordentlich in einen Wandschrank, glitt ins Bett und genoß das steife Rascheln der Laken rings um sie her. Das Bett war leer und kalt, der andere Körper, der es einst mit ihr geteilt hatte, war jetzt bereits seit drei Jahren fort, und
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