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Geister-Dämmerung

Geister-Dämmerung

Titel: Geister-Dämmerung
Autoren: Jason Dark
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hatte ich das Gefühl, eine beinahe greifbare Stille zu erleben.
    Nichts um mich herum rührte sich mehr. Ich schritt durch einen Kanal der Ruhe auf das magische Feuer zu, vor dem ich keine Angst mehr besaß. Mir kam der Würfel vor wie ein Lockvogel. Und er, der inmitten der Flammen stand, bewegte sich allmählich nach unten, als wollte er mir als Treppenstufe dienen und Unterstützung geben.
    Ich lief weiter. Zählte die Schritte, spürte den Schweiß auf meinem Rücken und hörte die Stimme des Sehers in meinem Gehirn.
    »Geh weiter, Geisterjäger! Immer weiter. Du kannst es nur so schaffen. Lass dich nicht beirren! Weiter, immer weiter…«
    Und ich ging…
    Die Flammenwand war für mich zu einem erstarrten Meer geworden, das mein gesamtes Blickfeld überdeckte. Nur dieser eine Punkt in der Mitte, der Würfel, der zeigte mir den genauen Weg.
    Ich schritt hinein.
    Plötzlich umgab mich das erkaltete Feuer. Das Kreuz flammte von selbst auf, es kämpfte gegen die Flammen an. Da war auch der Weg frei für mich, ich lief schneller, sah den Würfel größer werden und noch weiter wachsen. Streckte meine Arme aus, berührte ihn und vernahm in meinem Kopf das letzte erlösende Flüstern des Sehers.
    »Endlich…«
    Im nächsten Augenblick griff die Kraft des Spuks wieder ein. Mit unglaublicher Gewalt brachen die Flammen über den Resten des Pandämoniums zusammen und zerstörten diese unheilige Dimension. Die Geisterdämmerung hatte ihren endgültigen Abschluss gefunden. Und für mich war ein Fall abgeschlossen, der so ganz anders gewesen war als die übrigen, die ich erlebt hatte…
    Der Wind war kalt, der Nebel feucht, ich schmeckte Tropfen auf der Zunge und sah vor mir ein Gesicht.
    »Suko?« fragte ich.
    »Ja.«
    »Verdammt, Suko…« Auf einmal konnte ich nicht mehr sprechen. Ich fühlte nur noch, wie ich meinem Freund entgegenstürzte. Er mich festhielt, damit ich nicht zu Boden fiel.
    Es war nicht zu fassen. Ich roch das Leder seiner Kleidung, hörte Stimmen, da war der Nebel und gleichzeitig auch die Kälte. Aber all dies empfand ich als herrlich, wunderbar und fantastisch. Die Welt hatte mich zurück, die Gegenwart hatte mich aufgenommen wie der Vater den verlorenen Sohn.
    Das zu fassen und zu begreifen, war nicht einfach. Ich sagte zu Suko:
    »Alter, ich glaube, du musst mir helfen.«
    »Später, John, später.«
    Ich drückte mich wieder zurück. Mein Gesicht war bleich. Ich sah den Würfel zwischen Sukos Händen und entdeckte auf seinem Gesicht auch das verzerrte Grinsen.
    »Der Würfel, John, der Würfel! Stell dir vor, wir hätten ihn nicht gehabt…«
    Ich winkte ab. Es war müßig darüber nachzudenken. Wir hatten ihn, und wir hatten ihn einsetzen können. Mochte der Spuk die Dimension des Pandämoniums auch zerstört und die Geisterdämmerung eingeleitet haben, mich hatte er wieder einmal nicht erwischen können. Und das war gut so…
    ***
    Es dauerte bis zum anderen Morgen, ehe ich Zeit fand, mit Mandra Korab zu telefonieren. Geschlafen hatte ich während der Nacht ebenso wenig wie Suko oder Sir James.
    Ich hatte fast nur erzählt und meine unwahrscheinlichen Eindrücke geschildert. Obwohl dieses Abenteuer fast schiefgegangen wäre, ich hätte es trotzdem nicht missen wollen, weil es mir eine ungemein wichtige Erfahrung gebracht hatte.
    Mandra Korab hatte schon auf meinen Anruf gewartet. Es wurde ein langes und teures Gespräch, aber der Yard übernahm schließlich die Kosten.
    »Dann ist also das eingetroffen, was ich damals gesehen habe«, erklärte mir der Inder zum Schluss. Ich verstand nicht ganz und fragte nach.
    »Die Geisterdämmerung, John. Es war die Geisterdämmerung, die ich sah, als ich auf dem Rad der Zeit in Aibon festgebunden war und in die Zukunft gedreht wurde. Erinnerst du dich?«
    »Jetzt, wo du es sagst…«
    »Es scheint also in Erfüllung zu gehen, was man mir dort zeigte.«
    »Und was hast du noch gesehen, Mandra?«
    »Einiges, mein Lieber, einiges. Ich werde es allerdings für mich behalten. Es ist besser so, viel besser. Mach's gut, John. Und grüße die anderen von mir…«
    Er unterbrach die Verbindung. Auch ich legte den Hörer wieder auf. Es hatte keinen Sinn, sich jetzt über das Gedanken zu machen, was Mandra Korab vielleicht gesehen hatte. Wenn die Zeit reif war, würden wir bestimmt daran erinnert werden. Und dann, so rechnete ich, würde es mir hoffentlich so ergehen wie bei der unheimlichen Geisterdämmerung…
    ENDE
    [1] Siehe John Sinclair Taschenbuch Nr. 73 054
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