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Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)

Titel: Geist und Kosmos: Warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist (German Edition)
Autoren: Thomas Nagel
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Beispiel fragen, ob Vergeltung eine echte Rechtfertigung oder nur ein naturgegebenes Motiv ist oder welches Gewicht wir den Interessen von Fremden oder von anderen Spezies geben sollten, sollten wir uns so sehen, dass wir ein Urteilsvermögen in Anspruch nehmen, das es uns erlaubt, die Imperative der Biologie zu überwinden.
    Ich glaube, dies gilt auch für unseren Gebrauch der theoretischen Vernunft, wenn wir den wirklichen Charakter der Welt bestimmen, die uns durch die Sinneswahrnehmung präsentiert wird. [17] Wie ich bereits sagte, ist das Urteil, dass unsere Sinne verlässlich sind, weil ihre Verlässlichkeit zur Fitness beiträgt, legitim; das Urteil hingegen, dass unsere Vernunft verlässlich ist, weil ihre Verlässlichkeit zu unserer Fitness beiträgt, ist inkohärent. Dieses Urteil kann selbst nicht von einer empirischen Bestätigung dieser Art abhängen, ohne einen Regress zu erzeugen: Das Urteil zu bilden bedeutet notwendig, ihm eine Autorität eigenen Rechts zuzubilligen. In dem theoretischen Fall ist meiner Meinung nach keine andere mentale Haltung einnehmbar.
    Aber im Fall der Werte und der praktischen Vernunft ist es meines Erachtens kohärent, subjektivistisch zu sein,das heißt, alle Eindrücke objektiver Werte oder objektiver Handlungsgründe als illusorisch zu betrachten und in den Prozessen praktischer Überlegung und moralischer Argumentation nichts anderes zu sehen als höchst verfeinerte Methoden, mit deren Hilfe man entscheidet, was man wirklich will. Der theoretische Vernunftgebrauch, für sich genommen, liefert einen Rahmen, in dem es im Prinzip möglich ist, sich das motivationale System allein als Ergebnis natürlicher Ursachen zu denken und nie als eine Reaktion auf das, was wirklich gut und schlecht ist. Obwohl es mir unmöglich ist, diese Position zu übernehmen, denke ich nicht, dass sie unverständlich ist. Es ist eine Frage der relativen Plausibilität. Und ich muss zugeben, dass für jemanden, der nicht geneigt ist, den Werterealismus zu akzeptieren, die radikalen Konsequenzen, die ich gezogen habe, dessen mangelnde Plausibilität nur verstärken werden.

Kapitel 6
Schluss
    Die Philosophie muss komparativ vorgehen. Das Beste, was wir tun können, ist, auf jedem wichtigen Gebiet so vollständig und sorgfältig wie möglich konkurrierende alternative Konzeptionen zu entwickeln, die sich nach unseren jeweiligen Sympathien richten, und zu prüfen, wie sie gegeneinander abschneiden. Das ist eine glaubwürdigere Form des Fortschritts als der entscheidende Beweis oder die Widerlegung.
    Im gegenwärtigen Klima eines dominanten wissenschaftlichen Naturalismus, der stark auf spekulative darwinistische Erklärungen von praktisch allem angewiesen ist und der gegen Angriffe von religiöser Seite bis an die Zähne bewaffnet ist, hielt ich es für nützlich, spekulative Überlegungen zu möglichen Alternativen anzustellen. Im Licht dessen, wie wenig wir wirklich von der Welt verstehen, würde ich vor allem die Grenzziehungen für das ausweiten wollen, was nicht als undenkbar angesehen wird. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn sich das säkulare theoretische Establishment und die zeitgenössische aufgeklärte Kultur, die von ihm dominiert wird, den Materialismus und Darwinismus der Lücken abgewöhnen könnten   – um eine ihrer abwertenden Redeweisen zu übernehmen. Ich habe versucht zu zeigen, dass diese Herangehensweise unfähig ist, eine angemessene Darstellung unseres Universums zu liefern, sei es unter einem konstitutivem, sei es unter einem geschichtlichen Gesichtspunkt.
    Ich bin mir jedoch sicher, dass mein eigener Versuch,Alternativen zu untersuchen, bei weitem zu phantasielos ist. Ein Verständnis, nach dem das Universum grundsätzlich dazu neigt, Leben und Geist zu erzeugen, wird wahrscheinlich eine sehr viel radikalere Abkehr von den vertrauten Formen naturalistischer Erklärung verlangen, als ich sie mir gegenwärtig vorzustellen vermag. Besonders bei dem Versuch, Bewusstsein als ein biologisches Phänomen zu verstehen, wird allzu leicht vergessen, wie radikal der Unterschied zwischen dem Subjektiven und dem Objektiven ist, und nur zu leicht wird der Fehler begangen, über das Mentale in Begriffen zu denken, die unseren Ideen von physikalischen Ereignissen und Prozessen entstammen. Wittgenstein war für diesen Fehler sehr sensibel. Allerdings erscheint mir seine Methode, den Fehler dadurch zu vermeiden, dass man die Grammatik der Sprache des Mentalen untersucht, schlicht
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