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Geht das denn schon wieder los?

Geht das denn schon wieder los?

Titel: Geht das denn schon wieder los?
Autoren: Evelyn Sanders
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die Säge kaputt, die Cognacflasche fast leer und Rolf restlos betrunken.«
    Steffi kicherte. »Wann ist das denn gewesen?«
    Ich rechnete zurück. »Das müsste jetzt vierundzwanzig Jahre her sein …«
    »Und seitdem hast
du
immer den Baum …?«
    »Natürlich nicht! Dein Vater hat überall nette Nachbarn gefunden, die dem zwar künstlerisch begabten, jedoch in praktischen Dingen sichtbar hilflosen Familienvater geholfen haben. Man nennt das ›Arbeit delegieren‹.«
    »In Ordnung!« Steffi war aufgestanden und klopfte den Schnee von ihren Jeans. »Dann delegiere ich das Eintopfen dieses Gewächses an meinen Bruder. Wenn mich nicht alles täuscht, ist er gerade vorgefahren. Oder gibt es noch jemanden in der Gegend, der einen rosa Panda fährt?«
    Nein, den gab es mit Sicherheit nicht! Wer kommt schon auf die Idee, ein technisch zwar noch einwandfreies, vom Lack her jedoch unansehnliches Auto ausgerechnet pinkfarben umspritzen zu lassen? Als Mann! Das Argument, seitdem würde er seinen Wagen überall auf Anhieb finden, lässt sich allerdings kaum widerlegen. Obwohl sich Sven normalerweise durch nichts aus der Ruhe bringen lässt und Hänseleien mit stoischem Gleichmut begegnet, wurden ihm die Anspielungen auf sein »Barbiemobil« wohl doch zu nervig, jedenfalls prangte eines Tages ein deutlich lesbarer Aufkleber an der Heckklappe:
Ich bin nicht schwul, sondern farbenblind!
    Sven lud seinen Koffer aus und gleich noch ein bisschen Bügelwäsche, muss man ja ausnutzen, wenn man ein paar Tage lang zu Hause bleibt, nein, Hunger hätte er nicht, Durst eigentlich auch nicht, schon gar nicht auf Tee, aber vielleicht ein Weizenbier …
    Potenzielle Helfer muss man bei Laune halten, also bekam er sein Bier und wurde anschließend zum Tatort geführt.
    »Schön gewachsener Baum!«, stellte er nach der ersten Besichtigung fest. »Nur hättet ihr ihn besser aufrecht hingestellt, jetzt klebt doch der ganze Schnee dran!«
    »Na und? Der fällt auch wieder runter!« Steffi verlor allmählich die Geduld. »Fang endlich an! Heilig Abend ist nämlich schon morgen!«
    »Wozu braucht ihr eigentlich die ganzen Bauklötze?« Er schob das Sammelsurium von unterschiedlich starken Hölzchen zur Seite. »Zum Fixieren des Stamms?«
    »Nein!«, blaffte Steffi zurück. »Zum Anzünden der Grillkohlen natürlich. Die Gans passt nämlich nicht in den Ofen!«
    Auch Sven stellte sehr schnell fest, dass der von Stefanie auf schlanke Linie getrimmte Baumstamm definitiv zu dünn war, ein Bauklotz zu dick, Zeitungspapier zu weich und Vogelfutter zu instabil. »Hast du noch die Hausärztin?« Fragend sah er mich an.
    »Ob ich
was
habe?«
    »Na, diesen dicken Wälzer, der fast ein Jahrzehnt lang das abgebrochene Bein von meinem Bett ersetzt hatte. Irgendwann hast du ihn mal gebraucht, ich glaube, das war damals, als Katja den Bänderriss hatte und du nachgucken wolltest, ob’s nicht vielleicht doch bloß eine Verstauchung ist – oder so ähnlich«, setzte er erklärend hinzu. »Jedenfalls haben wir das Buch kaum noch unterm Bett vorgekriegt, und als wir’s schließlich hatten, waren ausgerechnet die Seiten über Beine gar nicht mehr drin.« Er schüttelte den Kopf. »Weißt du das wirklich nicht mehr?«
    Natürlich konnte ich mich an das Buch erinnern, auch an den Bänderriss (einen Tag vor Katjas Tanzstunden-Abschlussball!), nur nicht an die Kombination von beidem.
Die Frau als Hausärztin
hatte das umfangreiche Werk geheißen und war im neunzehnten Jahrhundert erschienen, als man Zahnschmerzen noch mit aufgelegten Kamillesäckchen bekämpfte (bei dem damaligen Stand der Zahnheilkunde vermutlich das kleinere Übel) und Babys in den Zuständigkeitsbereich von Klapperstörchen fielen.
    Jenes Buch also hatte ich nach dem Tod meiner Großmutter als vermeintliche Antiquität an mich genommen, es war dann – von niemandem vermisst – in irgendeinem Schrank verschwunden, durch Zufall wieder aufgetaucht, von einem Antiquar als »hübsch, aber kaum etwas wert« eingestuft und daraufhin nur noch zweckentfremdet worden. Eine Zeit lang hatte es als Sockel für Rolfs Schreibtischlampe gedient, bis er sich eine neue kaufte mit einem längeren Arm; es eignete sich zum Beschweren von Herbstlaub, das für den Bio-Unterricht gepresst werden musste, ich hab’s mal einem aufmüpfigen Knaben hinterher geworfen, wahrscheinlich war’s Sascha gewesen, er beschuldigt mich nämlich noch heute des versuchten Totschlags, und Katja hatte es gelegentlich als Trittbrett
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