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Geheimnisse einer Lady

Geheimnisse einer Lady

Titel: Geheimnisse einer Lady
Autoren: C Milan
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ganze Tier.“
    „Zehn Pfund? Das ist ja kaum mehr als ich vom Abdecker …“
    „Wenn der Klepper auf dem Weg zum Abdecker durchgeht, zahlen Sie wesentlich mehr für den Sachschaden, den er anrichtet.“ Der Fremde warf einen Blick in Kates Richtung, die im Begriff war, sich an der zerbrochenen Deichsel vorbeizuschleichen.
    Es war das erste Mal, dass er sie direkt ansah, und Kate spürte seinen Blick verstörend und vertraut zugleich. Sie drückte sich gegen die Mauer.
    Stumm schüttelte der Gentleman den Kopf und schau- te in die andere Richtung. „Ich sollte Sie wegen Tierquälerei und Personengefährdung anzeigen.“ Er holte einen Lederbeutel aus seiner Manteltasche und begann, Münzen zu zählen.
    „Nun mal langsam. Wir sind uns nicht handelseinig. Wie soll ich denn mein Fuhrwerk hier wegschaffen?“
    Der Fremde zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Mit der gebrochenen Deichsel? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihnen ein Pferd dabei eine große Hilfe wäre.“ Während er sprach, holte er noch ein paar Münzen aus dem Beutel und legte das Häufchen auf den Kutschbock. „Fragen Sie unten im Dorf nach Hilfe.“
    Missmutig schüttelte der Fuhrmann den Kopf und steckte die Münzen ein. Dann kletterte er vom Bock und stapfte talwärts. Der Gentleman blickte ihm schweigend nach.
    Da er abgelenkt war, beschloss Kate, sich weiter zu entfernen. Das Pferd war in Sicherheit, und wenn sie sich beeilte, war auch ihr Geheimnis – Louisas Geheimnis – in Sicherheit. Wer immer der Fremde sein mochte, er hatte sie gewiss nicht erkannt, sondern hielt sie vermutlich für eine Magd auf einem Botengang für ihre Herrschaft. Unscheinbar und bedeutungslos wie das Pferd, das er gerettet hatte.
    Er tippte mit dem Finger an seine Hutkrempe und wandte sich seiner Stute zu, die friedlich am Wegrand graste.
    Kate hatte angenommen, das geschundene Zugpferd würde seinem neuen Herrn brav folgen. Weit gefehlt. Der Klepper ließ den Kopf nicht hängen, schüttelte stattdessen seine verfilzte Mähne, zog die Lefzen hoch, spreizte seine klapperdürren schorfigen Beine und verweigerte den Gehorsam.
    Mit gesenktem Kopf wich die Stute ein paar Schritte zurück.
    „Denken Sie, die beiden gehen ruhig nebeneinander her?“, fragte der Gentleman.
    Da der Kutscher bereits die Straße zum Dorf hinunterstapfte, war niemand da, an den er seine Frage gerichtet haben könnte. Offenbar meinte er daher wohl sie.
    Kate blieb stehen, wagte aber nicht, zu antworten. Ihre Stimme würde sie als Dame verraten, auch in dem derben Umhang. Sie schüttelte den Kopf.
    Der Klepper zeigte sein braunes Gebiss. Deutlicher hätte er seine Warnung nicht zum Ausdruck bringen können, die lautete: Bleib mir vom Leib. Ich bin ein gefährlicher Hengst!
    Der Fremde blickte von einem Tier zum anderen und gab selbst die Antwort. „Ich fürchte nicht.“ Ein belustigtes Lächeln umspielte seine Lippen, als sein Blick Kate erneut erfasste, die wie angewurzelt dastand.
    In diesen Augen blitzte eine rastlose Vitalität. Seine Stimme und sein nonchalantes Selbstvertrauen weckten wieder dieses unbestimmte Gefühl eines Déjà-vu-Erlebnisses in ihr. Sie glaubte, ihn zu kennen.
    Vermutlich wollte sie nur einen Mann wie ihn kennen, und dieses Gefühl der Vertrautheit war lediglich Einbildung. An einen Mann wie ihn würde sie sich erinnern.
    Sein Gesicht, soweit es unter dem breiten Hut und dem struppigen Bart zu sehen war, wirkte sonnengebräunt. Seine Schultern waren breit, allerdings nicht durch wattierte Schulterblätter künstlich erweitert. Gemächlich schlenderte er in Kates Richtung.
    Nein, einen Mann wie ihn hätte sie nicht vergessen. Sein unverwandt auf sie gerichteter Blick alarmierte sie. Beinahe so, als kenne er ihre Geheimnisse, als mache er sich darüber lustig.
    „Tja“, erklärte er heiter, „wir sitzen ganz schön in der Tinte, Mylady.“
    Mylady? Eine Dame trug keinen kratzenden grauen Wollumhang und versteckte ihr Gesicht nicht unter Dienstbotenhaube und Kapuze. Hatte er ihr elegantes Kleid unter dem Umhang bemerkt, als er sie auf die Mauer hob? Oder wusste er von Anfang an, wer sie war?
    Er musterte sie in typisch männlich abschätzender Art von Kopf bis Fuß, ehe er den Blick wieder auf ihr Gesicht richtete.
    Es wäre töricht, sich zu wünschen, er hätte sie nicht angefasst und sie stattdessen von den Pferdehufen niedertrampeln lassen. Allerdings wünschte sie, er würde endlich seiner Wege gehen. Wenigstens verzichtete er auf eine abfällige
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