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Geheimnisse des 'Dritten Reichs'

Geheimnisse des 'Dritten Reichs'

Titel: Geheimnisse des 'Dritten Reichs'
Autoren: Guido Knopp
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Ehefrau und Kinder. Insofern war es meine Aufgabe und die des Klosters, ihm das Leben mit sich selbst zu erleichtern. Denn tief im Innern war Speer ein zerrissener Mensch.« Seine Aufenthalte bei den Benediktinerbrüdern waren geprägt von Ritualisierung und größter Disziplin – wie Speers gesamtes Leben. Der immer wiederkehrende Tagesablauf bedeutete für den Gast aus Heidelberg eine vertraute Berechenbarkeit und Einfachheit. »Auch wenn es absurd klingt: Irgendwie sehnte er sich wohl zurück nach der Einsamkeit, die ihn zwanzig Jahre lang prägte. Und auch unsere gemeinsamen Spaziergänge und seine Gartenarbeit im Kreuzgarten schienen ihn in jene Zeit zurückzukatapultieren«, erinnert sich der Pater. Schon im Gefängnisgarten von Spandau hatte Albert Speer auf langen Wanderungen mit eiserner Disziplin physisch und in Gedanken die Welt bereist. Seine Aufenthalte im Kloster galten ihm als Rückzug vom anstrengenden Leben in Freiheit in eine Welt der Abgeschiedenheit, die er zwei Jahrzehnte lang zwangsläufig kennengelernt hatte.
    Das Kloster Maria Laach nutzte Speer allerdings nicht nur, um seine innere Zerrissenheit zu kurieren, sondern auch als Standort zum Schreiben und Recherchieren im nahe gelegenen Bundesarchiv in Koblenz, dem er seinen umfangreichen Nachlass übergeben hatte. Denn nach dem Buch ist vor dem Buch: Die Erinnerungen verblassten allmählich, Zeit also für einen neuen Bestseller. Stoff hatte Albert Speer nämlich reichlich. Dafür hatte er bereits Jahre zuvor in seiner Spandauer Zelle gesorgt. Dort hatte er nach dem Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß die zweitlängste Zeit als Kriegsgefangener verbracht – und eingehend Tagebuch geführt. Der Stratege und Organisator besaß schon damals den Weitblick und den Mut, das von der neugierigen Außenwelt isolierte Innenleben der sieben Häftlinge in dem kolossal überdimensionierten Alliiertengefängnis festzuhalten. Auf kleinsten Papierschnipseln, Toilettenpapier und allem möglichen Beschreibbaren notierte er seine Beobachtungen aus der letzten Enklave Hitlers und ließ die Kassiber unter Aufsicht seines Getreuen Rudolf Wolters herausschmuggeln und ins Reine schreiben. Albert Speer muss geahnt haben, dass die voyeuristische Nachkriegsgesellschaft gern auch mal einen Blick durchs Schlüsselloch des Gefängnistors werfen würde. 1975 war es dann so weit: Albert Speers Spandauer Tagebücher befriedigten die öffentliche Neugier abermals. Und wieder stürmte er die Bestsellerlisten. Einnahmen inklusive. Geld und Geltung, Episode zwei.
    Speers Wohnhaus in Heidelberg war ein Gespensterhaus. Ich hatte das Gefühl, hier lebt niemand. Seiner Frau bin ich nur im Vorübergehen begegnet, aber ich bin ihr nie vorgestellt worden. Er hatte kein familiäres Zuhause und hat auch über seine Familie kaum mit mir gesprochen.
    Pater Athanasius, Speer-Vertrauter

    »Rückzug ins religiöse Exil«: Albert Speer kam ab den 1970er-Jahren regelmäßig ins Benediktinerkloster Maria Laach.
    akg-images, Berlin (Hilbich)
    Die Erstauflage von 200000 Exemplaren war bald vergriffen, die Welt hatte 600000 D-Mark für den Serienabdruck bezahlt und ein New Yorker Verlag 350000 US-Dollar für die englischsprachige Lizenz. Zwar wiederholten die Tagebücher nicht ganz den Erfolg der Erinnerungen , aber auch Speers Erzählungen aus dem Innenleben der Spandauer Haft trafen den Nerv der Öffentlichkeit: Die Faszination für Hitlers weggesperrten Erfüllungsgehilfen schien auch dreißig Jahre nach Kriegsende ungebrochen zu sein. Albert Speer nutzte das wieder aufflackernde Interesse an seiner Person, um seine seit Jahren geübte Selbststilisierung zu vertiefen: Systematische Judenvertreibungen und -morde – den Holocaust – hätte er ahnen können, wenn er nachgefragt hätte, aber gewusst oder gar tatkräftig unterstützt: sicher nicht. Und dass Zwangsarbeiter in Konzentrationslagern seine Produktionszahlen als Rüstungsminister durch Schweiß, Blut und Tränen nach oben katapultierten und dafür mit ihrem Leben bezahlten: tragisch, aber nicht zu beweisen. Dabei hatte Speer sein »Rüstungswunder« in der schier aussichtslosen Phase 1944 vornehmlich der rücksichtlosen Deportation von Millionen Arbeitskräften aus dem Osten zur Zwangsarbeit ins Reich zu verdanken. Zugleich bediente sich Speer mithilfe von Himmlers SS der erforderlichen Arbeitskräfte aus den Konzentrationslagern, die sich zur Produktionssteigerung der Rüstung buchstäblich zu Tode arbeiten mussten. Das Thüringer
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