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Geheime Tochter

Geheime Tochter

Titel: Geheime Tochter
Autoren: Shilpi Somaya Gowda
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Verbindung besteht. Aber jetzt … es ist ganz schön beachtlich – sie haben so viel für mich getan, auch ohne die Blutsverwandtschaft. Sie haben es einfach gemacht … weil sie es wollten.« Sie wischt sich mit einer Serviette über den Mund und lächelt. »Ich schätze also, ich hab gegenüber vielen Leuten eine Dankesschuld.« Sie holt tief Luft. »Und meine Mom hat eine Entschuldigung von mir verdient.«

    »Apropos Schuld, du schuldest mir eine Kopie von deiner Projektarbeit, wenn sie fertig ist. Ich werde sie einem Freund bei der BBC geben. Und wenn du dann berühmt wirst, bist du mir wirklich was schuldig.« Er zwinkert ihr zu. »Zumindest einen Besuch in London.«
    »Schau’n wir mal.« Asha lächelt. »He, hast du vielleicht Lust, mich morgen zu begleiten? Ich will noch mal zum Shanti, um was abzugeben.«

56
Über Ozeane
    Mumbai, Indien – 2005
Somer

    Somer blickt zu Krishnan hinüber, der neben ihr sitzt und durchs Fenster in den leeren Himmel starrt. Nach außen hin wirkt er genauso wie Hunderte andere Inder in dieser Maschine, wie ein gut gekleideter, gebildeter Mann auf dem Weg in die Heimat, um die Familie zu besuchen. Doch Somer bemerkt die kleinen Anzeichen, dass ihn innerlich etwas anderes beschäftigt: Krishnans Wangenpartie ist heute nicht angespannt wie normalerweise, sondern schlaff. Die herabhängenden Lider lassen seine kastanienbraunen Augen trüber und kleiner wirken als sonst. Seine Mundwinkel beben leicht. Diesen Ausdruck sieht sie nicht oft bei ihrem Mann, der es gewohnt ist, im Operationssaal Zuversicht auszustrahlen, auf dem Tennisplatz Kampfgeist und überall sonst Distanziertheit.
    Sie streckt die Hand aus und legt sie auf seine. Seine Augen werden feucht, und während er weiter zum Fenster hinausblickt, ergreift er ihre Hand, verschränkt die Finger mit ihren. Er hält sich an ihr fest, als ginge es um sein Überleben, genau wie letzte Nacht in der Dunkelheit, als sie nach sechs Monaten Trennung die zweite Nacht hintereinander zusammen im Bett lagen. Gestern, während sie den ganzen Tag damit beschäftigt waren, Flüge zu buchen und Visa zu besorgen, war Krishnan gefasst gewesen. Doch letzte Nacht, als die gepackten Koffer abreisefertigin der Diele standen und das Taxi für den nächsten Morgen bestellt war, weinte er wie ein Kind in ihren Armen um den Vater, den er gerade verloren hatte.
    Es stand außer Frage, dass sie ihn begleiten würde. Gleich nachdem er sie gestern Morgen mit der traurigen Nachricht geweckt hatte, bot Somer ihm an mitzukommen. Sie wollte nicht, dass er sie erst fragen musste, und er schien ihr dafür dankbar zu sein. Ihr Platz war bei ihrer Familie, das wusste sie jetzt ganz tief in ihrem Innern.
    Sie landen mitten in der Nacht in Mumbai, nehmen ein Taxi vom Flughafen und werden von einem Bediensteten in die Wohnung gelassen und ins Gästezimmer geführt. Sie schlafen ein paar unruhige Stunden, ehe es Morgen wird. Als sie zusammen ins Wohnzimmer kommen, bemerkt Somer, wie viel älter Dadima mit ihrem inzwischen schütteren und schneeweißen Haar wirkt. Krishnan fällt auf die Knie und berührt die Füße seine Mutter, etwas, das Somer noch nie gesehen hat. Er und seine Mutter umarmen sich und wechseln ein paar Worte auf Gujarati. Das Gespräch am Frühstückstisch bei Tee und Toast ist einsilbig, gedämpft.
    » Beta , wir müssen auf der Bank ein paar Formalitäten erledigen«, sagt Dadima zu Krishnan. Er nickt und blickt Somer an.
    »Schon gut, geht nur. Ich warte hier, bis Asha aufwacht.«
    Somer öffnet die Tür zu Ashas Zimmer und sieht ihre Tochter tief und fest schlafen, ihr Haar ist übers Kissen ausgebreitet und sie atmet ruhig und schwer – obwohl sie älter wirkt als bei ihrer Abreise, ähnelt sie gleichzeitig dem Kind, das Somer so viele Male im Schlaf beobachtet hat. Somer schließt leise die Tür und geht zurückins Wohnzimmer. Sie sieht auf die Uhr, nimmt ihr Handy und wählt.
    »Hallo, hier ist Dr. Somer Thakkar. Würden Sie bitte Dr. Woods für mich anpiepsen? Ich bleibe am Apparat. Danke.« In den paar Minuten, die verstreichen, starrt sie auf die Tischdecke, zeichnet mit dem Fingernagel das Blumenmuster nach. Endlich hört sie eine Stimme.
    »Woods.« Seine Stimme verrät, dass er aus dem Schlaf gerissen wurde.
    »James, ich bin’s, Somer. Tut mir leid, dass ich dich so spät noch störe, aber –«
    Er gähnt. »Kein Problem. Ich habe schon versucht, dich zu erreichen. Ich habe eine gute Nachricht, Somer. Das Biopsieergebnis ist
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