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Geheimakte Proteus

Geheimakte Proteus

Titel: Geheimakte Proteus
Autoren: F. Paul Wilson , Matthew J. Costello
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ungewöhnlich.
    »Los schon, Mimik, schieb schon deine Schablone rein. Wir wollen was sehen.«
    Der Mimik musterte die zornigen Gesichter. Er sah aus wie ein Tier, von dem man ein Kunststück verlangt und das weiß, dass es am Ende Prügel statt eines Leckerbissens bekommt.
    Einer der Männer zog eine Waffe heraus – die Normalversion des Minipulsers, den der Dicke bei sich trug. Dieses Modell konnte man ganz nach Wunsch und Bedarf so programmieren, dass sein Strahl entweder jemanden zehn Minuten bewegungsunfähig machte oder ein Loch in eine Stahlwand riss. Die Standardwaffe der Glompolizei.
    Der Mimik stand mit geweiteten Augen da, ganz sicher ebenso verängstigt wie jeder Mensch, den der dicke Mann bisher zu Gesicht bekommen hatte. Seine Instinkte drängten ihn zu helfen, etwas zu tun, um die Chancen des armen Teufels zu verbessern. Aber er durfte nur zusehen und musste Okasan dann sagen, was er gesehen hatte.
    »Drück deinen Knopf«, bellte eine Stimme.
    Der Mimik nickte resigniert.
    Warum wartet er so lange?, fragte sich der dicke Mann. Ist doch keine große Sache. Wahrscheinlich nichts, was der Mimik nicht schon dutzende Male beim Kampf in der Arena getan hatte. Und wenn er ein Agent war, dann fluxte er vielleicht ein paarmal die Woche.
    Warum war er jetzt so nervös?
    Der Mimik sagte: »Ich weiß, ihr habt etwas mit mir gemacht. Was habt ihr -?«
    »Maul halten!«, herrschte einer der Männer ihn an.
    Die Augen des Mimik reflektierten das spärliche Licht, als er sich umblickte. Der dicke Mann sah sich ebenfalls um. Er fragte sich, ob die Tausende in den verwobenen Stahlnestern zusahen.
    Einer der Männer im Kreis trat einen Schritt näher. »Hör auf, Zeit zu schinden, Nachmacher!«
    Und jetzt bemerkte der dicke Mann etwas Seltsames an den Augen des Mimik. Eine Traurigkeit, so etwas wie Resignation. Seine Hand tastete über seinen Unterleib, öffnete den Interfaceschlitz, zog die dort verwahrte Schablone heraus. Er blickte sich erneut um und blinzelte ein paarmal.
    Und dann begann er zu fluxen.
    Seine Gesichtszüge veränderten sich, das Fleisch ging auf wie Teig, als hätte die darunterliegende Skelettstruktur es losgelassen.
    Und dann ein zischendes Geräusch. Einer der Männer im Kreis, der dicht bei dem Mimik stand, bewegte sich nach rechts, versperrte dem dicken Mann die Sicht. Wieder ein Zischen, dann ein schreckliches, tiefes Stöhnen, ein trauriges animalisches Geräusch, der Schrei von etwas Sterbendem, der sich plötzlich zu einem kreischenden Brüllen erhob. Ein schreckliches Geräusch, wie man es früher in – wie hießen die doch? – Schlachthäusern gehört haben musste.
    Was zum Teufel ist das?, dachte er. Was geht hier vor? Wenn ich es nur sehen könnte.
    Das Kreischen ging in ein grässliches Gurgeln über, und dann hörte er ein klatschendes Geräusch, als etwas auf das Pflaster fiel.
    Der dicke Mann zog sich zurück, versuchte sich langsam zu bewegen und wollte doch schleunigst hier weg. Sein rechter Fuß stieß an einen Stein, worauf dieser ein Stück wegrollte.
    Er ließ die Männer nicht aus den Augen. Hatten sie es gehört? Nein. Sie umringten immer noch den Mimik, der jetzt den Augen des dicken Mannes verborgen war. Und sie waren verstummt, als wäre ihre Brutalität von dem, was sie sahen, gesättigt.
    Der dicke Mann zog sich noch ein Stück weiter zurück, dann drehte er sich um und entfernte sich mit schnellen Schritten. Und als er sich weit genug entfernt glaubte, richtete er sich auf und rannte zurück in die zivilisierteren Bereiche des Ramsch.
    Dabei suchte er die ganze Zeit die Gebäude nach den flackernden Lichtern ab, hielt Ausschau, ob da jemand riskierte, ihn anzugreifen. Den Pulser behielt er in der Hand.
    Während er lief, bemühte er sich, das, was er gesehen – und nicht gesehen – hatte, zu begreifen.
    Ein Mimik war aufgespürt und in die Enge getrieben, aber nicht getötet worden, sondern wurde einfach dazu gezwungen, in Flux zu gehen. Aber etwas war passiert. Etwas Tödliches.
    Aber was?
    Eines wusste der dicke Mann: Der Vorgang, dessen Zeuge er gerade geworden war, war weder für seine noch für die Augen irgendeines anderen außerhalb jenes Kreises bestimmt gewesen. Und sein Leben würde wertlos sein, wenn er öffentlich über das sprach, was er hier in dieser Nacht gesehen hatte.
    Aber Okasan würde er es sagen.
    Okasan würde es verstehen. Okasan würde es erklären. Okasan wusste alles.

 
     
TEIL EINS
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IN DIE WÄLDER

 
1
     
    »Euer Lordschaft, es
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