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Gegensätze ziehen sich aus

Titel: Gegensätze ziehen sich aus
Autoren: Kerstin Gier
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kicherte. Humor hatte sie auch noch. Die Frau gefiel mir.
    Herzhaft schüttelte ich ihre Hand. »Freut mich. Mussolini mein Name! Auch ich bin für das totalitäre Regime.«
    »Wie bitte?« In den Augen der Frau las ich Verwirrung. Und als Frau Siebeck im gleichen Augenblick fragte: »Frau Bauer, Frau Hittler, möchte eine von Ihnen den Kuchenstand übernehmen?«, wusste ich auch, warum.
    Herrje! Die arme Frau hieß wirklich Hitler. Wie blöd von mir. Über so einen Namen machte doch niemand Scherze. Hittler mit zwei t, wie ich später auf der Anwesenheitsliste las.
    Vor lauter Schreck verpflichtete ich mich, den Kuchenstand zu übernehmen, und starrte den Rest des Abends peinlich berührt vor mich hin. Weder die Mama von Dennis dem Beißer noch Frau Hittler würdigten mich mehr eines Blickes.
    * * *
    Vor der Kindergartentür schüttelte ich meine steifen Beine und suchte in meiner Tasche nach dem Schlüssel für das Fahrradschloss.
    »Das hätten wir überstanden«, sagte Anne.
    »Ja«, sagte ich. »Und zwar in Rekordzeit. Dank Hittler.« Frau Hittler unterhielt sich auf dem Parkplatz mit Frauke Werner-Kröllmann. Sie waren beide mit dem gleichen silber-metallicfarbenen Familien-Van gekommen, die sich nur durch den Aufkleber mit der Aufschrift »Muttermilch - die Wissenschaft kennt nichts Besseres« unterscheiden ließen, der auf Fraukes Auto pappte.
    Anne erriet, was ich dachte. »Ich wette mit dir, dass sie Hittler ganz schnell in ihren obskuren Verein aufnehmen«, sagte sie. Sie meinte die »Mütter-Society«, das Netzwerk, dem Frauke vorstand.
    Unsere Mitgliedschaft hatten sie übrigens abgelehnt. Also hatten wir einen eigenen Club gegründet: die streng geheime Mütter-Mafia. Wir hatten keine Clubsatzung, nur ein Motto: »Einer für alle, alle für einen.« Man musste nicht mal Kinder haben, um Mitglied bei der Mütter-Mafia zu werden: Mimi und Trudi waren kinderlos. Trudi wollte keine bekommen, und Mimi konnte keine bekommen. Anne hatte zwei Kinder, Jasper, der Julius' bester Freund war, und den vierzehnjährigen Max, der in die Parallelklasse meiner Tochter Nelly ging. Wie ich hatte auch Anne sich von ihrem Mann getrennt. Sie lebte nun mit Jo zusammen, der selber eine Tochter in diese Beziehung mit eingebracht hatte. Das Ganze war noch genauso frisch wie die Sache mit mir und Anton, und sie war zusätzlich kompliziert, weil Anne schwanger war und schon im März ein Kind von Jo bekommen würde. Ihr Noch-Ehemann war darüber wenig erfreut.
    »Wie läuft's bei dir zu Hause?«, fragte ich. Ich suchte nach einer Überleitung, um ein bisschen jammern zu können.
    »Max vermisst seine Laura-Kristin und möchte auch ins Internat, und Jasper will unbedingt eine von diesen superhässlichen Lava-Lampen haben«, sagte Anne.
    »Ja, Julius will auch eine Lava-Lampe haben«, sagte ich. »Und Anton will meine Eltern kennen lernen.«
    »Das ist doch schön«, sagte Anne.
    So etwas konnte nur jemand sagen, der meine Eltern nicht kannte. Aber ich hatte keine Lust, Anne etwas über meine Eltern vorzujammern. Ihre eigenen waren nämlich tot. Also jammerte ich über ein anderes Thema.
    »Emily hasst mich«, sagte ich.
    »Das wird sich geben«, sagte Anne. Sie hatte gut reden. Jos Tochter Joanne betete Anne an. Sie nannte sie »Mami« und kletterte ihr in einer Tour auf den Schoß. Und sie war ganz entzückend zu Annes Söhnen. Niemals wäre sie auf die Idee gekommen, Jasper zu erzählen, dass man ihm bereits einen Sarg bestellt habe, weil sein Gehirn schrumpfe.
    Ich seufzte. »Das sagt Anton auch.«
    »Man muss den Kindern einfach ein bisschen Zeit geben«, sagte Anne. »So eine Patchworkfamilie erfordert viel Fingerspitzengefühl.«
    »Hm, ja, wahrscheinlich.«
    »Und ich wette, Nelly macht es Anton auch nicht gerade leicht«, sagte Anne.
    »Ach, sie ist eigentlich ganz nett zu ihm.« Das war eine Tatsache, die mich im Grunde selber erstaunte. Nelly neigte nämlich nicht unbedingt zu Nettigkeiten. Dass sie mit Anton so freundlich umging, schob ich darauf, dass sie selber gerade glücklich verliebt war. Wahrscheinlich war sie in Gedanken immer nur bei ihrem Kevin. Und nicht nur in Gedanken: Sie verbrachte eigentlich jede freie Minute mit ihm. Das wiederum bereitete meinem Exmann Lorenz große Sorgen.
    »Warst du schon mit ihr beim Frauenarzt, um ihr die Pille verschreiben zu lassen?«, hatte er mich neulich erst am Telefon angeschnauzt. »Ich habe keine Lust, noch für ein fünftes Kind zu blechen!«
    »Nelly hat mir versichert,
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