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Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)

Titel: Gefühlte Nähe: Roman in 23 Paarungen (German Edition)
Autoren: Harald Martenstein
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offen. Sie klingelten an der Haustür. Sie klingelten noch einmal. Einer der Polizisten, der ältere, ging um das Haus herum, wahrscheinlich suchte er einen Hintereingang.
    In diesem Moment wurde die Haustür von innen geöffnet. Schulz stürzte heraus. Er schlug dem jüngeren Polizisten in die Magengrube, der zusammenklappte wie ein Taschenmesser, und rannte auf die Straße. Der Polizist rappelte sich schnell hoch, Respekt, topfit, der Bulle, dachte Doubek, und schrie etwas zu seinem Kollegen, der, ebenfalls ziemlich flott, wieder hinter dem Haus hervorkam. Schulz rannte auf die andere Straßenseite und sprang über eine Hecke, in den gegenüberliegenden Garten. Er wollte wohl durch die Gärten abhauen. Der jüngere Polizist spurtete ihm nach, während der ältere ins Auto stieg, um ihm auf der anderen Seite der Gärten den Weg abzuschneiden.
    Schulz hatte die Nerven verloren. Was sollte das bringen? Die hatten ihn gesehen. Sie würden ihn garantiert kriegen, früher oder später. Doubek bezweifelte, dass Schulz ihn verdächtigen würde, so ein anonymer Anruf bei der Polizei kommt meistens von Nachbarn.
    Ungefähr zwei Stunden später war Doubeks Schicht vorbei. Er setzte sich auf sein Fahrrad, es war schon fast elf, als er wieder vor der Villa stand. N. öffnete, nachdem sie ihn durch den Türspion betrachtet hatte, er entschuldigte sich für die späte Störung. Er fragte, ob die Geldbörse, die er in der Hand hielt, vielleicht N. oder ihrem Freund gehöre. Er habe sie im Taxi gefunden, nachdem er sie beide abgesetzt habe, und natürlich nicht hineingeschaut, aber vielleicht sei ja etwas Wichtiges drin. Deswegen störe er noch so spät.
    N. bat ihn herein. Sie sagte: »Du glaubst nie im Leben, was passiert ist. Bis vor ein paar Minuten war die Polizei da.«
    Im Wohnzimmer war eines der Bilder abgehängt, es lehnte an der Wand. Der Tresor, der dahinter versteckt gewesen sein musste, war geschlossen. Ihr Freund sei ins Krankenhaus gefahren, sagte N. mit verächtlichem Unterton, nur zur Sicherheit. Eigentlich sei er kaum verletzt.
    Ein paar Monate später fuhr Doubek, an einem Tag, an dem er nichts Dringendes vorhatte, ins Gefängnis. Schulz war gut drauf, er machte sogar das Abitur nach. »Der Knast ist das Beste, was mir passieren konnte«, sagte er. »Das konnte nicht ewig so weitergehen. Wenn die mich erst in ein paar Jahren erwischt hätten, wäre mein Leben voll im Arsch gewesen. Crime is for boys .«
    Er wollte Medizin studieren. Aus der Partei war er ausgetreten, ganz offiziell.
    Als die beiden in das Haus kamen, arbeitete er gerade am Tresor, das Bargeld, das herumlag, hatte er sich schon eingesteckt. Der Typ schaute ihn fassungslos an, Schulz meinte, dass der am liebsten abgehauen wäre, aber er wusste wohl, dass so etwas bei seiner Freundin nicht gut ankam. Also fasste er Schulz an der Schulter, was der hasste, sagte: »Was soll das, Freundchen«, und fing sich von Schulz einen Schwinger, und noch einen, und noch einen, bis er zu Boden ging. Dann aber kam die Frau, krallte sich von hinten an ihm fest, und Schulz war ratlos; du kannst eine Frau doch nicht einfach so schlagen, wo sind wir denn.
    Die hat sich an mich gehängt und geschrien, die hat Power, sagte Schulz, ich hab die mir lediglich vom Hals gehalten, wollte natürlich weg, aber die hat mich nicht gelassen. Das ging, ich weiß nicht, wie lange, bestimmt ein paar Minuten. Wenn ich nicht so gutmütig wäre, hätte Gott weiß was passieren können. Der Freund machte gar nichts. Als die Polizei geklingelt hat, habe ich mich losgerissen.«
    Doubek konnte Schulz nicht erzählen, dass er seit diesem Abend mit N. zusammen war, weil das Schicksal, der Zufall, oder vielleicht sogar Gott, an diesem Abend sämtliche Puzzlesteine genau passend zusammengesetzt hatte, zum Besten aller Beteiligten. Er fand es schade, dass er mit Schulz nicht offen reden konnte, denn Schulz wusste besser als andere über Dialektik Bescheid. Schulz kannte auch den Unterschied zwischen objektiven und subjektiven Interessen. Aber in diesem Fall war er leider befangen.

4
     
    Liebe N., ich bin zu Hause und warte darauf, dass du anrufst. Du hast doch versprochen, dass du dich diese Woche meldest. Es ist jetzt Sonntagnachmittag, und wenn ich nicht mit dir reden kann, schreibe ich eben. Denk bitte nicht, dass ich sauer oder beleidigt bin. Wenn du keine Zeit zum Anrufen hast, ist das schon okay.
    Willst du wissen, was ich heute gemacht habe? Ich habe das Unizeug geordnet, das Haus
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