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Gefangen im Zwielicht

Gefangen im Zwielicht

Titel: Gefangen im Zwielicht
Autoren: Verena Rank
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hatten, spiegelte sich der pure Wahnsinn wider. Seine Atmung ging schnell und rasselnd und er zerrte an Alexeis Hemdkragen, als wäre er am Ertrinken.
    „Er war doch noch ein Kind!“ Serbans Gesicht war von Schmerz gezeichnet, die weinerliche Stimme war für den furchtlosen Vampir ungewohnt. Einen winzigen Moment verspürte Alexei Mitleid, doch dann stieß er seinen Vater so grob von sich, dass dieser gegen die Tischplatte taumelte. Serban starrte Alexei überrascht an. Dann begann er plötzlich zu lächeln, sein Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an.
    „Es war im Jahre 1924. Ich habe dich in einem Park entdeckt“, fing er wie in Trance zu erzählen an. „Ein paar Wochen lang hab ich dich beobachtet. Deine Mimik, deine Bewegungen, dein Lachen … alles stimmte überein.“
    Alexei merkte, wie ihm übel wurde und seine Selbstbeherrschung nachließ. „Was … hast du getan?“, presste er hervor.
    „Du warst ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, meinem kleinen Alexei“, antwortete Serban mit stumpfem Blick.
    „Und da hast du mich einfach mitgenommen, hast einer Mutter den Sohn geraubt und einem kleinen Jungen den Bruder genommen? Wie erbärmlich und abscheulich bist du nur?“ Alexeis Stimme wurde laut und unbeherrscht. „Ich hatte einen Bruder. Und eine Mutter! Ich hatte einen Namen und der war nicht Alexei!“
    „Was interessiert mich das Schicksal eines einfältigen Menschen?“, entgegnete sein Vater scharf. „Du könntest ruhig etwas dankbarer sein, ich habe dir ewiges Leben geschenkt.“
    Alexei schüttelte den Kopf. „Wie hast du …?“, brachte er erstickt hervor.
    „Ich habe dich in einen Tiefschlaf versetzt, bis du bereit für deine Verwandlung warst. Nacht für Nacht saß ich bei dir und habe gewartet, bis es endlich so weit war. Es bedurfte viel Zeit und Aufwand, dein Gedächtnis über die Jahre hinweg immer wieder zu löschen und anzupassen.“
    Alexeis Zorn hatte seinen Höhepunkt erreicht. Das Blut kochte unter seiner Schädeldecke und er wich ein Stück zurück, um der Gefahr zu entgehen, seinem Vater an die Gurgel zu springen. Gleichzeitig überfiel ihn tiefe Traurigkeit und innere Leere.
    „Du hast mir die Erinnerung an meine Familie geraubt und mich in die ewige Finsternis verbannt!“, schrie er Serban an. „Mein gesamtes Dasein ist eine Lüge und irgendwo, tief in mir habe ich es immer gewusst. Meine Mutter ist gestorben, ohne zu wissen, dass ihr Sohn noch lebt und mein Bruder ist heute ein alter Mann. Und nun nimmst du mir auch noch den Vater, den ich mein ganzes Leben lang geliebt und bewundert habe!“
    Sein Vater schluckte hart und schüttelte den Kopf. Er hob beschwichtigend die Hand und machte Anstalten, sich Alexei zu nähern.
    „Aber du bist und bleibst mein Sohn. Ich habe dich zwei Mal gebissen, du hast von meinem Blut getrunken.“ Er zuckte mit den Schultern.
    „Nichts bin ich und ich kann mich an nichts erinnern! All die Jahre hast du meine Liebe und mein Vertrauen missbraucht. Ich habe keinen Vater mehr, du bist ein elender Lügner, ein Verbrecher, eine Bestie. Bleib mir bloß vom Leib!“
    Serban fauchte ungehalten. „Du bist einer von uns, diese Tatsache ist unwiderruflich und unumkehrbar!“
    „Dann werde ich dieses unendliche Dasein ohne dich fristen. Ich sollte dir einen Pflock ins Herz rammen, für das was du getan hast. Sei froh, dass ich dich so sehr geliebt habe, sonst würde ich dich jetzt töten.“
    Alexei kehrte ihm den Rücken zu und eilte zur Tür. Er hatte genug gesehen und genug gehört, wollte nur raus hier. Doch Serban stürzte ihm nach und umklammerte Alexei mit eisernem Griff.
    „Nein! Du kannst nicht gehen! Du bist mein Sohn und das Einzige, das mir noch geblieben ist. Ohne dich ist mein Leben verwirkt.“
    Alexei wand sich mit Gewalt aus der Umklammerung und stieß Serban erneut fort.
    „Du hast doch Razvan! Vielleicht wäre er heute nicht so ein Scheusal, hättest du dich seiner angenommen, anstatt mehrere Menschenleben zu zerstören. Mein Leben hier ist von einer Sekunde auf die andere sinnlos geworden. Ich habe hier nichts mehr, das mich hält. Auf mich wartet meine richtige Familie, mein wahres Blut.“
    Obwohl Alexeis Zorn unendlich groß war, blutete sein Herz, als er Serbans Hilflosigkeit sah. Doch der Stachel saß zu tief, er konnte hier keinen Moment mehr verweilen und hatte das Gefühl, zu ersticken. Alexei riss die Tür auf und stürzte auf den Flur hinaus.
    „Tu mir das nicht an, ich bitte dich!“
    Serbans Stimme klang so
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