Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefallene Engel

Gefallene Engel

Titel: Gefallene Engel
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
rührte mich mit einer Ungeduld, die keineswegs nur gespielt war. Die Atmosphäre in diesem Lager war erdrückend, und das Weinen des unsichtbaren Babys ließ keinen Moment nach. Ich wollte so schnell wie möglich wieder von hier verschwinden.
    Der Sergeant schaute auf und gab mir die Bevollmächtigung zurück. »Sie müssen sich an den Kommandanten wenden«, sagte er steif. »All diese Leute hier stehen unter Aufsicht der Regierung.«
    Ich blickte links und rechts an ihm vorbei, dann sah ich ihm wieder ins Gesicht.
    »Richtig.« Ich ließ meinen Spott für einen Moment in der Luft hängen, bis er meinem Blick auswich. »Also gehen wir und reden mit dem Kommandanten. Corporal Schneider, Sie bleiben hier. Es wird nicht lange dauern.«
    Das Büro des Kommandanten war eine zweistöckige Kammer, die vom Rest des Lagers durch einen weiteren Energiezaun abgetrennt war. Kleinere Wacheinheiten hockten auf den Kondensatorpfosten wie Wasserspeier aus dem vorigen Jahrtausend, und uniformierte Rekruten, die kaum volljährig waren, standen mit überdimensionalen Plasmagewehren in den Händen am Tor. Ihre jungen Gesichter sahen unter den mit Technik aufgemotzten Helmen zerkratzt und wund aus. Warum sie hier waren, entzog sich meinem Verständnis. Entweder waren die Robotereinheiten nur Attrappen, oder das Lager litt an schwerer Überbesetzung. Wir traten ohne ein Wort hindurch, stiegen eine leichte Treppe hinauf, die jemand nachlässig mit Epoxid an die Seite der Ballonkammer geklebt hatte, und der Sergeant drückte den Türsummer. Eine Sicherheitskamera an der Wand bewegte sich, und kurz darauf sprang die Tür auf. Ich trat hinein und atmete erleichtert die gekühlte Luft ein.
    Das meiste Licht im Büro kam von einer Staffel Überwachungsmonitore auf der gegenüberliegenden Seite. Daneben stand ein vorgefertigter Plastikschreibtisch, der von einem billigen Datenstackholo und einer Tastatur beherrscht wurde. Der Rest der Oberfläche war von eingerollten Ausdrucken, Textmarkern und anderem bürokratischem Krimskrams bedeckt. Ausgetrunkene Kaffeebecher erhoben sich aus der Unordnung wie Kühltürme in einer industriellen Trümmerlandschaft, und dünne Kabel schlängelten sich über die Oberfläche zum Arm der seitlich zusammengesunkenen Gestalt hinter dem Schreibtisch.
    »Kommandant?«
    Das Bild einiger Sicherheitsmonitore veränderte sich, und im flackernden Licht erkannte ich glänzenden Stahl am Arm.
    »Was gibt es, Sergeant?«
    Die Stimme klang schleppend und stumpf, desinteressiert. Ich trat ins kühle Halbdunkel, und der Mann hinter dem Schreibtisch hob leicht den Kopf. Ich erkannte ein blaues Photorezeptorauge und das Flickwerk aus Metallprothesen, die sich von einer Gesichtshälfte über den Hals zu einer klobigen linken Schulter hinunterzogen, was wie ein gepanzerter Raumanzug aussah. Der größte Teil seiner linken Körperhälfte fehlte und war von der Hüfte bis zur Achselhöhle durch komplexe Servoeinheiten ersetzt worden. Der Arm bestand aus hydraulischen Systemen aus Leichtstahl, die in einer schwarzen Klaue endeten. Das Handgelenk und ein Teil des Unterarms war mit mehreren silberglänzenden Anschlüssen versehen, in denen die Kabel vom Tisch endeten. Neben dem Anschluss blinkte ein kleines rotes Lämpchen in trägem Rhythmus. Stromfluss aktiv.
    Ich blieb vor dem Tisch stehen und salutierte.
    »Lieutenant Takeshi Kovacs von Carreras Wedge«, sagte ich leise.
    »So.« Der Kommandant richtete sich mühsam im Sessel auf. »Vielleicht möchten Sie hier etwas mehr Licht, Lieutenant. Ich mag die Dunkelheit, aber…« Er schnaufte amüsiert. »Ich habe dafür ein Auge. Sie möglicherweise nicht.«
    Seine Finger tappten auf der Tastatur herum, und nach mehreren Versuchen flammte die Hauptbeleuchtung in den Ecken des Raumes auf. Der Photorezeptor schien zu verblassen, während sich daneben ein trübes menschliches Auge auf mich fokussierte. Was noch vom Gesicht übrig war, sah fein ziseliert aus und wäre durchaus attraktiv gewesen, doch die lange Zeit am Draht hatte den kleinen Muskeln den kohärenten elektrischen Input geraubt, sodass der Ausdruck erschlafft und dümmlich wirkte.
    »Besser so?« Das Gesicht bemühte sich um etwas, das eher einem anzüglichen Grinsen als einem freundlichen Lächeln glich. »Ich könnte es mir vorstellen; schließlich kommen Sie aus der Außenwelt.« Das letzte Wort hatte einen ironischen Nachhall. »Einer Welt, die jenseits dieser winzigen Augen liegt und alles übersteigt, das sich ihre
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher