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Gefaehrliche Gefuehle

Gefaehrliche Gefuehle

Titel: Gefaehrliche Gefuehle
Autoren: Hanna Dietz
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nachzogen, als ob sie nur darauf warteten, sich ins Rampenlicht zu begeben. Ich verabschiedete mich von Enzo und stieg aus. Ohne mich zu den Kameras umzudrehen, ging ich die breite Steintreppe hoch.
    »Natascha«, rief Frau von Cappeln, als ich das Ende der Treppe erreicht hatte. »Auf Sie habe ich gewartet!« Sie zog mich ins Innere der Schule und führte mich schnell in ihr Büro.
    »Ich hoffe, Sie haben nicht mit diesen Presseleuten gesprochen«, sagte sie, als sie die Tür hinter mir geschlossen hatte.
    »Nee, Frau von Cappeln. Habe ich nicht.«
    »Natascha, ich weiß, wir hatten nicht den besten Start, aber ich hoffe, Sie verstehen, wie wichtig es für die anderen Schülerinnen ist, dass keine Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.«
    »Sie meinen, es ist besonders für Sie und Ihren Sohn wichtig«, korrigierte ich.
    »Ja, das auch.« Sie fingerte nervös an ihrem Dutt herum, den sie aus ihren rot gefärbten Haaren geknotet hatte. Sie lief hektisch auf und ab und schaute immer wieder aus dem Fenster auf die Journalisten, die vor dem Tor hingen. »Mein Sohn wird übrigens nicht mehr an die Schule zurückkehren.«
    »Gut«, sagte ich. Sie schaute mich nervös an und der Blick aus ihren grauen Augen hatte etwas Flehendes. Und auch wenn ich sie nicht mochte, hatte ich nicht vor, ihr irgendetwas heimzuzahlen. »Ich habe absolut kein Interesse, in den Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu rücken, und werde so oder so nicht mit der Presse reden«, beruhigte ich sie.
    »Und was ist mit Ihren Freundinnen?«, fragte Frau von Cappeln.
    Welchen Freundinnen? Von diesen Zicken hier ist keine meine Freundin, wäre mir beinahe herausgerutscht. Aber stattdessen sagte ich: »Ich rede mit niemandem über das, was geschehen ist. Darauf können Sie sich verlassen.«
    Sie atmete auf. »Danke, Natascha. Das weiß ich sehr zu schätzen.« Und nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: »Sie sind doch vernünftiger, als ich gedacht hatte.«
    »Hab ich doch gleich gesagt«, sagte ich zufrieden. Sie versuchte sich an einem Lächeln.
    Bevor der Unterricht anfing, berief unsere Direktorin eine Versammlung in der Aula ein, in der sie allen anderen Schülerinnen ebenso ans Herz legte, jedes Interview zu verweigern und mit niemandem von der Presse über die Schule zu sprechen. »Auch die harmloseste Aussage kann verdreht und aufgebauscht werden, und das fällt nachher auf uns alle zurück. Dabei wollen wir nach dieser Aufregung hier doch nur eines: In Ruhe lernen!«, rief sie und erntete überwiegend zustimmendes Murmeln. Aber natürlich gab es auch die Fraktion der bockigen Meckerziegen, besonders unter meinen lieben Klassenkameradinnen.
    »Die wird uns doch wohl nicht vorschreiben, mit wem wir sprechen dürfen«, zischte Kim und fuchtelte mit ihren furchterregenden smartiesbunten Fingernägeln herum.
    »Also echt«, gab ihr Jennifer recht. »Was bildet die sich eigentlich ein?« Sie hielt ihre schwarze Ledertasche kampfbereit vor ihre vanillepuddinggelbe Bluse.
    »Ich rede, mit wem ich will«, verkündete Kim. »Und du, Coco?«
    »Klar, ich auch«, stimmte die zu, wenn auch nicht ganz so energisch.
    »Aber mit der Presse reden bringt doch nichts als Ärger«, mischte sich Alina, unsere vernünftige und allzeit politisch korrekte Stufensprecherin, ein. Aber niemand reagierte darauf.
    »Ich wette, als Erstes sehen wir Evelyn im Fernsehen«, ätzte Kim, als unsere Mitschülerin Evelyn in ihrem Dita-von-Teese-Kleid und der piekfein frisierten Haarwelle vorbeilief. »Die wartet doch nur darauf, dass sie berühmt wird. So wie die sich in Musik beim Singen immer aufspielt!«
    »Ja, genau«, fiel Coco in die Lästerei mit ein. »Und dann ist sie allein der Star der Schule.«
    »Dabei hat die doch keinen blassen Schimmer«, sagte Irina.
    »Sie kannte Milena überhaupt nicht!«, empörte sich Jennifer.
    »Ich kannte sie ja am besten«, gab Kim bekannt. »Wenn einer das Interview geben kann, dann ich.«
    Jennifer starrte Kim an, als hätte sie gerade behauptet, Robert Pattinson wäre ihr Geliebter. »Was redest du da?«, sagte sie giftig. »Ich müsste das Interview geben, denn ich war ihre beste Freundin.«
    »Warst du nicht«, widersprach Kim ungerührt.
    »Doch, natürlich! Coco, was meinst du dazu?«
    Coco zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, wir wären alle ihre besten Freundinnen gewesen.«
    »Nee, waren wir nicht. Ich habe auf ihrer Facebookseite zum Beispiel die allermeisten Kommentare geschrieben. Ist doch wohl völlig klar, dass ich
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