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Garou

Garou

Titel: Garou
Autoren: Leonie Swann
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Maude.
    »Rebecca soll uns wieder aus dem Pferch lassen!«, blökte Heide.
    »Cloud soll zurückkommen!«, sagte Cordelia - etwas zu spät.
    Kurz daraufkippten die letzten der Mützenmenschen Reste von kaltem Tee in den Schnee und gingen zurück zu ihren Autos.
    »Revenons a nous moutonsh, sagte jemand, und Rebecca sah auf einmal zu den Schafen herüber. Endlich! Dann wurden sie doch noch gefüttert, von einer zerstreuten Schäferin, die ihnen sechs statt der üblichen fünf Futtereimer in den Trog kippte, einen davon direkt auf die Ziege.
    Während alle sich den Magen vollschlugen, ging Rebecca zusammen mit dem Ziegenhirten den Zaun ab und kontrollierte die Pfosten.
    Dann knarrte das Tor auf, und die Schafe strömten zurück auf ihre lädierte Weide.
    Ohne Cloud.
     
    Das Winterlamm war nicht wie die anderen sofort aus dem Pferch getrabt. Es stand noch immer neben der kleinen Ziege am Futtertrog. Sie waren ungefähr gleich groß.
    »Wie hast du das gemacht?«, fragte das Winterlamm.
    »Was?«, fragte die Ziege unschuldig. »Das mit den Wünschen«, sagte das Winterlamm. »Ein Ziegenzauber«, sagte die Ziege. »Wirklich?«, fragte das Winterlamm.
    »Nein«, sagte die Ziege. »Schafe wünschen sich sowieso immer nur das, was ohnehin passieren wird. Zieg'en hingegen...« Sie sah das Winterlamm mit gelben Ziegenaugen an. »Wenn du dir wünschst, dass etwas passiert, dann musst du dafür sorgen, dass es passiert.«
    »Und was wünschst du dir?«, fragte das Winterlamm.
    »Viel«, sagte die Ziege. »Ich wünsche mir einen Ort, wo immer Süßkraut wächst, und den längsten Ziegenbart der Welt und dass Megära irgendwann ein fauler Apfel auf den Kopf fällt. Aber im Augenblick...«, sie legte den Kopfschief und dachte nach,»... im Augenblick wünsche ich mir, dass jemand kommt und den Mond auffrisst. Ganz auffrisst.«
    Sie blickte Richtung Tor, wo sich der Schatten des Schlosses wie jeden Nachmittag anschickte, über den Zaun auf die Weide zu klettern.
    »Ich muss gehen«, sagte sie. »Wenn ihr mich braucht - ich bin nicht da!«
    Das Winterlamm hätte gerne Dinge gefragt - vor allem nach ihrem Namen.
     
    Diesen Abend kauten die Schafe noch lustloser als sonst auf ihrem Wintergras herum. Sogar Mopple. Alles roch falsch. Zu sehr nach Hundetatzen, Puder und Gummistiefeln. Nach Menschenschweiß und Zigarettenrauch. Und nach etwas anderem, das die Schafe nicht verstanden. Und viel zu wenig nach Cloud.
    »Kein Schaf darf die Herde verlassen!«, blökte Sir Ritchfield bekümmert.
    »Außer, es kommt zurück!«, sagte Cordelia.
    »Warum kommt Cloud nicht zurück?«, fragte Heide.
    »Auf eine Weide voller Hunde und Mützen würde ich auch nicht zurückkommen«, sagte Miss Maple. »Wahrscheinlich hat sie sich versteckt. Und vielleicht ist es gar nicht so einfach, aus so einem Wald wieder herauszufinden. Zu viele Bäume.«
    Sie beschlossen, in den Wald hineinzublöken. So laut wie möglich. Vielleicht kam Cloud dann heraus!
    »Cloud!«, blökten sie im Chor. »Der Tierarzt ist weg! Wir sind noch da! Komm zurück!«
    Aber der Wald schwieg.
     

3
     
    »Sie ist wollig!«, sagte Zora anerkennend.
    »Für einen Menschen«, sagte Maude.
    Die anderen nickten. Offensichtlich versuchte die Schäferin, ihnen in Sachen Wolligkeit ein Vorbild zu sein. Vielleicht wollte sie auch Cloud ersetzen. Dafür war sie natürlich lange nicht wollig genug.
    Rebecca saß auf den Stufen des Schäferwagens, in eine Decke gewickelt, ungewöhnlich dick mit zwei Mänteln übereinander, und darunter - die Schafe konnten es riechen - den populären Wollpullover. Um den Hals hatte sie sich das Stielaugengerät gehängt. Das Stielaugengerät kam sonst nur bei helllichtem Tage zum Einsatz, wenn besonders langbeinige Vögel über die Weide staksten, Reiher oder Störche mit schwarzen Schnäbeln und einmal, im Herbst, ein paar Kraniche in Feierlaune. Dann hielt sich Rebecca das Stielaugengerät vor die Augen und behauptete, es würde die Vögel größer machen. Es war natürlich reine Einbildung, die Schafe sahen sehr genau, dass die Vögel kein bisschen größer wurden, aber die Schäferin hatte ihren Spaß.
    Doch heute, mit Decke und Kälte und Dämmerung, sah das Ganze nicht nach Spaß aus.
    »Ich finde, du übertreibst!«, dröhnte Mama und reichte Rebecca eine Thermoskanne aus dem Schäferwagen. »Komm rein! Du kannst hier sowieso nicht die ganze Nacht sitzen.«
    Rebecca nahm ihr die Kanne aus der Hand.
    »Ich weiß. Aber solange ich hier sitzen kann, sitze ich
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