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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine
Autoren: Claudia Piñeiro
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etwas zu ihr sagen, aber stattdessen senkte er die Augen auf die Zeitung und tat wieder, als würde er lesen. Lali gab Zucker in ihren Kaffee und rührte um. Sie starrte auf die Tasse und rührte immer weiter darin. »Pass auf, deinem Kaffee wird noch ganz schwindlig«, sagte ich, um das Eis zu brechen. Lali sah auf, blickte mich an und rührte weiter, als wäre nichts gewesen. In solchen Momenten könnte ich sie ohrfeigen. Aber ich wollte die Situation natürlich um keinen Preis noch zusätzlich anheizen. Am besten, ich kümmerte mich nicht um sie. »Endlich haben wir mal wieder so richtig gut geschlafen, was, Ernesto?«, sagte ich. Ernesto sah mich an, und ich sah verzückt zurück. Worauf er den Blick wieder ziellos über die Zeitungsseite schweifen ließ. Nichts zu machen, er kapierte es nicht – er war einfach viel zu durcheinander, würde ich sagen. Da bringt einer eine Frau um, und anschließend kriegt er nichts mehr auf die Reihe – ein Affe mit einem Messer in der Hand, eine echte Gefahr. Wenn ich jetzt nicht die Initiative übernahm, waren wir verloren. »Um halb elf hast du geschlafen wie ein Engel, stimmts, Liebling?« – »Stimmts, Liebling?«, gellte es aufdringlich durch die Küche. Lali sah mich entnervt an, eigentlich ohne Grund, aber sie sieht mich immer entnervt an. Sie schnappte sich ihre Schultasche und ging. Offenbar brauchte ich bloß ein Wort zu sagen, und schon war es ihr zu viel. Ich rede zu viel, behauptet sie. Wann rede ich denn schon mal? Außerdem hält sie sich für superintelligent – »wie Papa«, sagt sie immer, wenn sie ihr Schulzeugnis präsentiert. Ich weiß, dass sie mich für doof hält. Aber ich sehe es ihr nach. Wer würde seiner Tochter so etwas nicht nachsehen? Sie war schon immer etwas steif, geht bei allem strikt planmäßig vor und glaubt, intelligent sein heißt, eine Eins in Mathe haben. Meine Intelligenz fällt dagegen nicht so auf, sie bleibt eher im Verborgenen, glänzt nicht, »Glückwunsch, ausgezeichnet, eine glatte Eins« bekommt sie normalerweise nicht zu hören. Dafür habe ich eine ausgesprochen praktische Intelligenz, sehr nützlich für den Alltagsgebrauch, zum Beispiel, um ihren Papa vor dem Gefängnis zu bewahren. Denn während ich mir für ihren Intelligenzbolzen von Vater ein Alibi zurechtlegte, fiel dem nichts anderes ein, als sein Taschentuch voll zu schnäuzen.
    Bevor Ernesto losging, sagte er vertraulich zu mir: »Heute Abend würde ich gerne einmal in Ruhe mit dir reden.« Na endlich. »Aber ja doch, Liebling«, antwortete ich. Und fast schon in der Tür, sagte er noch: »Wenn jemand von der Arbeit anruft, sag, ich komme heute erst gegen Mittag.«

8
    Am liebsten wäre ich hinter Ernesto hergefahren. Bei der Vorstellung, wie viel Blödsinn dieser Mann innerhalb von vier Stunden anstellen könnte, wurde mir ganz anders. Aber ich hatte eine bessere Idee: Warum fuhr ich nicht einfach in sein Büro? Ich öffnete den Kleiderschrank und überlegte, was ich anziehen sollte. Ich musste gut aussehen. Aber ohne aufzufallen, schließlich war eine Leiche mit im Spiel. Nichts überzeugte mich. Dies war nun einmal ein sehr spezieller Anlass. Im Büro des eigenen Mannes kann man nicht in Jeans und Turnschuhen erscheinen, selbst wenn es sich um Markenturnschuhe handelt. Das passt einfach nicht ins Bild. Man muss der Vorstellung entsprechen, die die anderen sich von der Frau eines Managers machen. Und eine Frau Pereyra, das konnte unmöglich ein Dickwanst im Morgenrock mit Lockenwicklern im Haar sein. Das ist völlig klar. Mein Mann ist immer sehr gut gekleidet, die Farbe seiner Krawatte stets auf die der Strümpfe abgestimmt; er bringt mich um, sollte sein Hemd einmal nicht perfekt gebügelt oder seine Schuhe nicht auf Hochglanz poliert sein. In dieser Hinsicht entgeht ihm nichts.
    Ich entschied mich für ein sandfarbenes Kleid, elegant, aber nicht übertrieben; ich hatte es mir zur standesamtlichen Trauung einer Freundin besorgt. Ich glaube, ich hatte es bloß an diesem Tag angezogen, danach nie wieder. Wir wohnen schließlich in einem Villenviertel, jede mit Garten und eigenem Swimmingpool, da sind Pfennigabsätze und Kostüm nun mal nicht die passende Alltagskleidung. Geschweige denn Seidenstrumpfhosen. Blumengießen oder Rosenbeschneiden in Strumpfhosen, das ist unmöglich. Wir laufen hier alle in lockerer Freizeitkleidung herum, eine hübsche Hose, ein hübsches Blüschen, Strickweste, manchmal auch Blazer oder Schal. Und dazu passende Accessoires, die
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