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Gabriel Lambert

Gabriel Lambert

Titel: Gabriel Lambert
Autoren: Alexandre Dumas
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der Anfang vom Tod.«
    »Ich werde tun, was Sie verlangen.«
    »Warten Sie; bis wann, glauben Sie, werden Sie zurück sein?«
    »Ich weiß es nicht, doch ich hoff e, gegen ein Uhr morgens.«
    »Soeben hat es halb zehn geschlagen, es ist unglaublich, wie schnell die Stunden vorübergehen, seit zwei Tagen besonders! In drei Stunden also, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Gehen Sie, gehen Sie; oh, ich würde Sie am liebsten zugleich bei mir behalten und gehen sehen … Auf Wiedersehen, Doktor, auf Wiedersehen. Ich bitte Sie, schicken Sie mir meinen Vater.«
    Die Empfehlung war unnötig: Sobald mich der arme Greis an der Tür erscheinen sah, stand er auch schon auf.
    Der Wärter, der mich herausließ, ließ ihn hinein, und die Tür schloß sich wieder hinter ihm.
    Ehe ich mich aus dem Gefängnis entfernte, sagte ich dem Direktor, ich würde wahrscheinlich im Verlauf der Nacht zurückkehren.
    Mein Wagen erwartete mich vor der Tür; ich fuhr nach Hause, fand meine Freunde immer noch lustig beieinander und erinnerte mich der Worte des Unglücklichen: »Es gibt in diesem Augenblick Menschen, die lachen und nicht daran denken, daß sich einer ihresgleichen im Todeskampf zerarbeitet.«
    Ich war so bleich, daß sie, als sie mich erblickten, einen Schrei des Erstaunens, beinahe des Schreckens ausstießen und mich fragten, ob mir ein Unfall zugestoßen wäre.
    Ich erzählte ihnen, was vorgefallen war, und am Ende meiner Erzählung waren sie beinahe so bleich wie ich.
    Dann trat ich in mein Kabinett und kleidete mich um.
    Als ich herauskam, war das Spiel zu Ende.
    Sie standen und sprachen miteinander; es hatte sich ein großer Streit über die Todesstrafe erhoben.
    Es schlug Mitternacht, als ich wieder nach Bicètre kam; der König hatte an den Rand des Gesuches geschrieben: »Ich verwandle die Todesstrafe in lebenslängliche Zwangsarbeit.«
    Der Direktor saß noch immer bei seiner Partie Piquet.
    Ich sah, daß ihm die Störung, die ich ihm verursachte, sehr lästig war.
    »Ich bin es«, sagte ich. »Sie haben mir zu dem Verurteilten zurückzukehren erlaubt, und ich mache Gebrauch von dieser Erlaubnis.«
    »Tun Sie es«, erwiderte er. »François, führen Sie den Herrn.«
    Dann wandte er sich mit einem Lächeln tiefer Befriedigung zu seinem Mitspieler um und sagte zu ihm: »Vierzehn Damen und sieben Piques, was sagen Sie dazu?«
    »Bei Gott!« antwortete der andere mit einer äußerst ärgerlichen Miene, »ich glaube, ich habe nur fünf Carreaux.«
    Mehr hörte ich nicht.
    Es ist unglaublich, wieviel verschiedenartige Gemütsbewegungen ein und dieselbe Stunde und ein und derselbe Ort einschließen.
    Ich stieg so rasch wie möglich die Treppe hinab.
    »Ich bin es!« rief ich, als ich vor der Tür stand. »Ich bin es.«
    Ein Schrei antwortete auf den meinen.
    Die Tür öff nete sich.
    Gabriel Lambert war von seinem Sitz aufgesprungen.
    Er stand mitten in seinem Kerker, bleich, die Haare gesträubt, die Augen starr, die Lippen zitterten, und er wagte es nicht, mich nach dem Erfolg zu fragen.
    »Nun, wie steht es?« murmelte er endlich.
    »Ich habe den König gesehen, er schenkt Ihnen das Leben.«
    Gabriel gab einen zweiten Schrei von sich, griff mit den Armen umher, als wollte er eine Stütze suchen, und fi el ohnmächtig vor seinem Vater nieder, der ebenfalls aufgestanden war und nicht einmal die Arme ausstreckte, um ihn zu halten.
    Ich bückte mich, um dem Unglücklichen beizustehen.
    »Einen Augenblick«, sagte der Greis, indem er mich zurückhielt,
    »unter welcher Bedingung?«
    »Wie? Unter welcher Bedingung?«
    »Sie haben gesagt, der König schenke ihm das Leben, doch unter welcher Bedingung begnadigt er ihn?«
    Ich suchte eine Ausfl ucht.
    »Lügen Sie nicht, mein Herr«, sprach der Greis.
    »Unter welcher Bedingung?«
    »Die Todesstrafe ist in lebenslängliche Zwangsarbeit verwandelt.«
    Th
    omas Lambert richtete sich in seiner ganzen Größe auf und ging festen Schrittes auf seinen Stock zu, der in einer Ecke stand.
    »Was machen Sie?« fragte ich.
    »Er bedarf meiner nicht mehr. Ich war gekommen, um ihn sterben, nicht ihn brandmarken zu sehen.
    Das Schafott hätte ihn gereinigt, aber er hat das Bagno vorgezo-gen.«
    »Mein Herr«, sagte ich.
    »Lassen Sie mich gehen«, sprach der Greis mit so würdevoller Miene, daß ich zur Seite trat und ihn nicht durch ein einziges Wort zurückzuhalten versuchte.
    Er entfernte sich ernsten, langsamen Schrittes und verschwand in dem Gang, ohne den Kopf noch ein einziges Mal nach seinem Sohn
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