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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch
Autoren: Wiley Cash
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Ihnen sagen, Gott macht uns so, wie wir sein sollen. Daran sollten Sie mal denken, wenn Ihnen das nächste Mal einfällt, Dinge zu verändern, von denen Sie die Finger lassen sollten. Ich hätte Angst, so eine Macht herauszufordern.«
    Er lächelte mich an, als hätte ich etwas Komisches gesagt, aber ich hatte das natürlich nicht lustig gemeint. Er drehte den Kopf wieder zu der Wand mit den Bildern und fing erneut an, sich mit den Fingern über die Hand zu reiben. Ich hatte genug von seinem Gerede und seiner kleinen Bibelstunde, und ich wollte nicht länger als unbedingt nötig da sitzen bleiben und auf diese Hand starren. Ich stellte die Füße nebeneinander und strich meinen Rock glatt und wollte aufstehen und gehen, und genau in dem Moment spürte ich es im Nacken.
    Ich kann nicht genau schildern, was er dann tat, weil ich es mir nicht mal mehr richtig in Erinnerung rufen kann, aber als ich es auf der Haut spürte, wusste ich sofort, was es war: Es fühlte sich genauso an wie eine Totenhand, so kalt und klamm wie nur was. Er packte mich im Nacken, knapp über dem Kragen meiner Bluse, und zwang mich auf die Knie, und als er das tat, hörte ich, wie er mit der Stiefelspitze die kleine Klappe oben auf der Kiste auftrat. Er ließ meinen Nacken los und nahm meinen Arm, und ehe ich richtig wusste, wie mir geschah, hatte er meinen Arm schon durch die Klappe geschoben und hielt ihn mit dieser furchtbaren verbrannten Hand dort fest. Ich versuchte, den Arm wieder herauszureißen, aber Chambliss war einfach zu stark, und als ich aufstehen wollte, drückte er mir ein Knie hinten auf die Schultern. Meine Füße scharrten über den Boden, und ich spürte, wie sie gegen einen der metallenen Klappstühle in der ersten Reihe traten. Er kippte um, und der Krach hallte durch den Raum. Chambliss schien es gar nicht zu hören. Ich strampelte weiter mit den Beinen, suchte nach irgendeinem Halt, um wieder hochzukommen, fand aber nichts.
    Er stand über mir und hielt mich so fest, als wäre ich ein Schwein, das er gleich schlachten wollte und das auszubüxen drohte. Ich versuchte, meine Hand aus der Kiste zu ziehen, aber er drückte sie mit aller Kraft hinein, und ich spürte die kalte, glatte Haut seiner Finger, die meinen Arm umschlossen.
    »Schsch«, flüsterte er. »Nicht wehren. Nicht dagegen ankämpfen.«
    Daraufhin gab ich jeden Widerstand auf und fing an zu beten. Ich schloss die Augen und drehte den Kopf von der Kiste weg, und in dem Moment hörte ich es da drin. Zuerst war es ganz leise, als würde ein leichter Wind durch ein dürres Maisfeld rascheln, aber dann wurde das Klappern lauter, bis ich mir einfach nichts mehr vormachen konnte. Ich presste die Augen so fest zusammen, wie ich konnte, und ich stellte mir den Biss der Fangzähne vor, so ähnlich wie ein schlimmer Wespenstich, und ich stellte mir vor, wie das Gift mir durch die Adern strömte, auf dem Weg zum Herzen. Ich sah förmlich, wie ich die Hand nach dem Biss aus der Kiste zog, die Haut um die beiden Bisslöcher schon schwarz verfärbt und die bläulichen Adern dick und trüb von Gift. Ich sah Miss Molly Jameson vor mir, wie ihr Gesicht anschwoll, wie sie nach Luft rang, wie man sie draußen in ihrem Garten fand, ohne irgendeine Erklärung dafür, wie sie dorthin gekommen war. Ich dachte wirklich, ich würde sterben, und ich tat mein Möglichstes, um mich auf das vorzubereiten, was danach kommen würde, was auch immer das war.
    »Du hast keine Angst, oder?«, flüsterte Chambliss. Ich wollte ihm antworten, aber es war, als würden mir die Worte im Halse stecken bleiben, als könnte ich nicht kräftig genug husten, um sie herauszubefördern. Seine Hand packte mich erneut im Nacken und schüttelte mich durch, und auf einmal spürte ich, wie die Klapperschlange gegen den Deckel der Kiste schnellte, und ich war mir ganz sicher, gebissen worden zu sein. »Hast du Angst?«, brüllte er.
    »Nein«, sagte ich schließlich, so leise, dass ich es fast selbst nicht hören konnte. »Ich habe keine Angst.«
    »Du brauchst keine Angst zu haben, wenn du glaubst«, flüsterte er. »Wenn du an deinem Glauben festhältst, kann dir nichts auf der Welt etwas anhaben. Kein Gesetz und auch kein Mensch. Du brauchst nichts zu fürchten außer den Herrn selbst.«
    Kaum hatte er das gesagt, spürte ich, wie seine Hand meinen Arm losließ, und ich zog ihn so schnell ich konnte aus der Klappe im Kistendeckel und drückte ihn mir mit der anderen Hand an den Körper. Ich hörte, wie er die
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