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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig
Autoren: Dietmar Dath
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Kategorienlehre »Pfeile« und »Funktoren«.
    Was ist eine Kategorie? Vielleicht fragen wir lieber weniger essentialistisch: Was braucht man, um eine zu bilden? Vor allem Einheiten und Elemente – die Einheiten sind Objekte, die Elemente Morphismen, also »Wandlungen«, Sachen, die man mit Sachen machen kann. Gibt es eine Objektmenge mit Objekten wie x, y oder z, dann hat die Kategorie, der sie angehören, ein Funktionenpaar, Bereich und Cobereich (abgekürzt Ber und Cober), also ein »Woher« und ein »Wohin« von Pfeilen für jedes x in der Objektmenge, ferner einen Identitätsmorphismus 1x, der aus jedem derartigen x dieses x selbst macht, außerdem eine Zusammensetzung zwischen den Morphismen f und g, die man »f ° g« oder kürzer »fg« schreibt, und schließlich die sogenannten »Funktoren«, das heißt: Morphismen zwischen Kategorien.
    Alles Weitere folgt einer vergleichsweise überschaubaren Anzahl von Axiomen: fg gibt es nur, wo Co b (f) = Be r (g). Dann ist Be r (fg) = Be r (f) und Cob(fg) = Cob(g). Wenn fg und gh definiert sind, dann ist (fg)h = f(gh). Außerdem gilt Be r (1x ) = Co b (1x ) = x. Wenn Be r (f) = x und Co b (f) = y, dann ist 1 x f = f = f 1y .
    Die Pointe dieses Apparats besteht nun darin, daß die Morphismen bei der Handhabung von Kategorien wichtiger sind als die Objekte. Der Morphismus, könnte man sagen, ist das Regens, das Objekt ist das Dependens. Wer sich geschickt anstellt, kann eine Kategorie unter fast völliger Umgehung der Objekte bauen. Der Hamburger Mathematiker und Philosoph Ernst Kleinert sieht darin einen reflexionstheoretischen Beitrag zur dialektischen Aufhebung mathematischer »Sachen« in mathematische Praxis – die Morphismen, schreibt er, »hervorgegangen aus der gedanklichen Bearbeitung ›konkreter‹ Gegenstände, sind der mathematische Reflex von Formen dieses Bearbeitens.«
    Die wohl wichtigsten derartigen Formreflexe sind der Mono-, der Epi- und der Isomorphismus:
    1.) Der Pfeil f : x r y ist ein Monomorphismus, wenn es einen Morphismus g : y r x gibt, so daß fg = 1x .
    2.) Ein Epimorphismus liegt vor, wenn es einen Morphismus h : y r x dergestalt gibt, daß h f =1y .
    3.) Der Isomorphismus wiederum ist ein Morphismus, der die Eigenschaften des Epi- wie des Monomorphismus auf sich vereinigt.
    Einige Praktiker halten den Isomorphismus für den wichtigsten – so der mathematische Physiker John Baez, der an der Kategorientheorie vor allem schätzt, daß man mit ihr die aus der Schulmathematik gewohnten Gleichungen durch solche Isomorphismen ersetzen kann. Während eine Gleichung bekanntlich verlangt, daß der Term links des Gleichheitszeichens ein Ding bezeichne, das auf metaphysisch nicht eben ganz leicht zu erhaschende Weise identisch mit dem Term rechts davon sei, müssen wir beim Isomorphismus »nicht mehr so tun, als wären zwei Sachen eine, wenn wir uns darüber unterhalten wollen, durch welche Operation man die eine in die andere überführt« (Baez). Kategorische Methodiker wie Baez und sein Kollege James Dolan nehmen sich seit einigen Jahren zahlreiche mathematische Gegenstände grundlegender Art vor und »kategorisieren« sie. Fragt man sie, warum sie das für nötig halten, verweisen sie darauf, daß so eigentlich bloß die Mathematik vom Kopf auf die Füße gestellt werde – deren archaischer Sündenfall, meinen sie, war die »Dekategorisierung«, zwar nötig und nützlich wie der in Miltons »Verlorenem Paradies«, aber ein Unglück.
    Wie es dabei zuging, soll ein von Baez gern erzähltes »Schäfchengleichnis« illustrieren. Das geht so: Vor langer Zeit mußten Schafhirten, die wissen wollten, ob zwei Schafherden isomorph sind, beide Herden in langen Reihen aufstellen und dann jedem Schaf der einen Herde je eins der anderen zuordnen. Eines Tages aber fiel einer klugen Schäferin die erste Dekategorisierung ein: Man kann doch einfach jede Herde abzählen, also einen Isomorphismus zwischen ihr und einer Menge von beliebigen Abzählworten der Sorte »eins, zwei, drei« setzen. Dann macht man dasselbe mit der zweiten Herde, und indem man die so entstehenden beiden Zahlenreihen vergleicht, kann man zeigen, daß die zwei Herden isomorph sein müssen, ohne einen direkten Isomorphismus zu fabrizieren. Das war zwar genial, wurde aber, wie andere schöne und fortschrittliche Erfindungen der Menschheit von Krieg bis Kernspaltung, schließlich zur »dummen Angewohnheit« (Baez / Dolan). Den Prozeß, mit dem also beispielsweise die natürlichen Zahlen und
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