Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
Fluchtgeschwindigkeit, verließ die Saturnumlaufbahn und korrigierte sacht, aber effektiv seinen Kurs.
    10  Sie gab ihm ihre CD s, am Besuchertisch. Er sagte artig: »Danke«, obwohl er dafür keine Verwendung hatte, weil er wußte, daß es übertrieben grausam gewesen wäre, sie abzulehnen. Die Situation war beklemmend genug. Sie saßen auf Stühlen, die mit metallischen Achsen am Tisch festgemacht waren, und Cordula bemerkte schließlich: »Sieht sehr modernistisch aus, ein Möbel wie aus Kubricks ›2001‹, der hat sich um jedes Detail gekümmert.«
    »Aber nicht alles entwerfen lassen, soweit ich weiß«, widersprach Andy sanft und war froh, daß man die Trennscheibe wenigstens hier, zum Schluß, wegließ, »einiges hat er doch fertig von futuristischen Designern gekriegt, als Leihgabe, wegen der Publicity, die so ein Film bringt, oder?«
    »Lenin hat auch vieles fertig von futuristischen Designern gekriegt, Marx zum Beispiel. Schadet ja nix.«
    Sie beendeten den Besuch in Freundschaft, ohne Umarmung, nicht, weil das verboten gewesen wäre, sondern weil es so angemessener war.
    Befragt, was sie sich als letzte Mahlzeit wünschte, sagte Cordula Späth: »Es gibt sicher Leute, die zu nervös sind und mehr als ein Knoblauchsüppchen nicht mehr runterkriegen. Aber ich hätte gern einen gescheiten Rehrücken, Bauchspeck, Tomaten dazu, eine gute Soße, Rotwein drin, gehackte Zwiebeln, Gemüse, Mehl, vernünftige Gewürze. Als Beilage am besten Spätzle, wenn ihr das hinkriegt, Kroketten tun’s auch, gefüllte Williamsbirnen zum Schluß oder eine andere Leckerei in der Art, keine alkoholischen Getränke bitte, Mineralwasser reicht völlig. Dann schmecke ich auch das tote Viech besser.«
    Sie bekam tatsächlich alles. Sogar die Spätzle ließen sich auftreiben. Cordula Späth sah zufrieden aus, als der Warden und Johanna Rauch ihr danach den obligatorischen Besuch abstatteten.
    Zwischen zwanzig Minuten und zwei Stunden vor der Vollstreckung trafen die Zeugen für die Zeugenkammer ein. Sie waren sehr leise, auch die, die miteinander bekannt waren, grüßten nur mit Blicken. Cordula Späth durfte duschen. Dann zog sie sich um, wählte ein Hemd und eine Hose statt des auch angebotenen Kleids.
    Herzmonitor, EKG , noch ein bißchen lesen.
    Verwandte der Opfer wie Aeryn Corbett, Überlebende aus Minneapolis, Paris, Kapstadt, diverse Chinesen, ein Verwandter der Gefangenen – das war Andy –, der Warden, Medizinisches Personal, Johanna Rauch, die Wachen, eine Gruppe angesehener Bewohner der Stadt und andere vom neuen Staat ausgewählte Zeugen sowie Medienleute bereiteten sich je auf ihre Weise vor.
    Andy dachte: Wenn bloß Norman Mailer da wäre, da wüßte man, es ist wenigstens einer dabei, der begreift, was los ist, nicht so kop flos wie wir andern alle. Closed-Circuit- TV , Bildschirmschatten. Die Verurteilte wurde auf der Liege festgeschnallt, die IV -Kanülen-Zugänge wurden gelegt. Dann rollte man die Liege in den Raum mit den Schleusentüren. In jeden Arm floß eine Salzlösung.
    Abwarten. Kein Anruf von Prashad.
    »Möchten Sie noch etwas sagen?«
    Cordula Späth wollte nicht.
    Die Fenster waren nicht einseitig verspiegelt, man hatte die Verurteilte vorher danach gefragt. Sie wollte die Zeugen sehen. Das Anästhetikum wurde verabreicht, wirkte wie vorgeschrieben binnen dreißig Sekunden.
    Noch mal die Salzlösung, dann folgte das Pavulon, ein Muskelentspanner. Diaphragma und Lungen waren zwei Minuten nach der Injektion gelähmt. Erneutes Durchspülen mit Salz, schließlich das Gift, das die elektrischen Signale, die das Herz funktionieren ließen, unterbrach.
    Das Herz blieb stehen.
    11  Die Wölfe kamen wieder, überall auf der Welt: in der großen Leere der nördlichen Tundra, im weiten Bogen um die zerstörten Metropolen, in der arabischen Wüste, in den Trabantenstädten Nordeuropas, in amerikanischen Nationalparks, in Indien, in den Bergen Norwegens und Schwedens.
    12  Brecht hat geschrieben:
    Furchtbar ist es, zu töten
Aber nicht andere nur, auch uns töten wir, wenn es nottut
Da doch nur mit Gewalt diese tötende
Welt zu ändern ist, wie
Jeder Lebende weiß.
Noch ist es uns, sagten wir
Nicht vergönnt, nicht zu töten. Einzig mit dem
Unbeugbaren Willen, die Welt zu verändern, begründeten wir
Die Maßnahme.
    13  Nur daß es nicht so war, wie Brecht geschrieben hat.
    »Sie hat es uns abgenommen, schon wieder, denn sie hätte fliehen können, wie immer, mit Magie oder ohne«, sagte Andy seinem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher