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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig
Autoren: Dietmar Dath
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für alte Damen ab Dreißig auf und heuchelt bei Gedichtlesungen blasser, stotternder Lyrikerinnen aus Schtuttgart noch glaubwürdig Interesse, wenn den Lehrerinnen, Volkshochschul zwangsverpflichteten und Rentnern im Publikum längst das kochende Blut aus den Ohren tropft.
    Es lag an den Augen. Blau waren die wie Wodka, den ein Engel auf jungfräuliches Eis geweint hat, blau wie die Unschuld selbst, vom Juwelier des Jenseits mit Tüchlein und Tinktur auf heiligen Glanz poliert, blau wie der himmelweite Friede Gottes, höher denn alle Vernunft.
    Freddy Schörs lebte den Widerspruch zwischen seinen scheußlichen Klamotten und der Schönheit seiner Augen sowie seines Wesens mit entspanntem Understatement und heimlichem Elan. Schon kurz vor dem Abitur an einem erzbadischen Gymnasium beschloß er, einen Beruf zu ergreifen, den man am allerwenigsten mit Leuten verbindet, die ausse hen wie er: »Ich werde Buchhändler. Mit eigenem Laden. Die erste Adresse für Bücher, die … gut sind. Gute Bücher. Anstatt die ganzen schlechten. Die sollen sie mal schön woanders kaufen. Bei mir gibt es nur gute. So wird das.«
    Abitur, Buchhändlerlehre (praktischer Teil: Katholische Buchhandlung Herder, Freiburg im Breisgau), Geld borgen (von der Bank und von seinem Vater, einem erfolgreichen Sportmediziner), los ging’s: Jetzt mache ich das einfach, dieses »ein erwachsener Mensch sein«. Das Niedlichste an diesem erwachsenen Menschen, fand Bea später, war wohl, daß er für das, was die meisten Leute »beknackt« oder »bescheuert« nannten, einen eigenen Ausdruck besaß, dem was Lautmalerisches anhaftete und dessen Herkunft er selbst nicht erklären konnte, eins dieser Wörter, die Kinder erfinden oder irgendwo falsch aufschnappen: »beschemselt«.
    Beate Eich begegnete Freddy auf der beschemselten Frankfurter Buchmesse 2001.
    Das war eine nicht besonders splendide, eher bedrückte Veranstaltung, die noch ganz im Zeichen des 11. September stand, überschattet von Milzbrandpostpanik und der Gruselhoffnung auf irgendeine ­sehens­werte Messekatastrophe. Das Hotel, an dessen Bar Freddy Schörs die Bekanntschaft von Beate machte, nannte sie, schon leicht angeheitert, mit einem destruktiven Glitzern im Blick, »prima mittelschäbig«.
    Freddy erkannte sofort, daß er in Beate einen Menschen vor sich hatte, der fast noch unstimmiger schön war als er selbst: Gekleidet in einen grauen Wickelrock und eine brieftaubenweiße Bluse sowie die dazu passenden dunklen Strümpfe und blutroten Schuhe, erinnerte die Frau, die Freddy zutreffend auf Anfang Dreißig schätzte, mit ihrer Schmetterlingsbrille und dem roten, glatten, eigentlich schulterlangen, aber streng nach hinten gekämmten und dort mit einem Schildpatt-Steckkamm zusammengebundenen Haar, den flaschengrünen Augen und den ungeschminkt himbeerroten Lippen an gut drei Dutzend ­Rollen, die Jodie Foster in ihrem Leben gespielt hatte. Streng, dachte er, und Altertümern gegenüber sicher aufgeschlossen – Antiquitäten wie mir, dem vergessenen Sänger einer fast vergessenen Stadionband.
    Was die wohl macht? Vertriebsleiterin eines archäologischen Fachverlages? Heidelberger Oberchefin einer rechtsextremen Studentenverbindung? Redakteurin bei der »Jungen Freiheit«? Lektorin für Jürgen Möllemann? Heimliche Geliebte Jörg Haiders, Organisatorin des ehrwürdigen öffentlichen Klagenfurter Wettfurzens?
    Guten Tag, ich heiße Freddy Schörs, mein Laden heißt »Flaubert & dergl.«, führt nur gute Bücher und folglich keine von aufstrebenden zwölfjährigen Schnöseln, die über ihre zwei Wochen zurückliegende Kindheit poplustige Traktätchen im Stil evangelischer Jugendarbeit verfassen, ich habe noch nicht mal ein eigenes Auto und esse nur Salziges zum Frühstück. Wie also, um das jetzt also doch gleich mal ganz deutlich zu fragen, wäre es mit uns beiden? Aus der Box der bareigenen Quatschmusikanlage gab sich Sheryl Crow angemessen gelassen:
    Pour a drink
And I’ll pull the blind
And I wonder what I’ll find
    Nein, berichtigte Beate lachend, für Möllemann habe sie noch nicht gearbeitet. Vielmehr sei sie freischaffende Lektorin für verschiedene (nicht archäologische, aber doch) Kunst- und Bildbandverlage, und Sheryl Crow gefiele ihr auch ganz gut, die habe sie sogar mal live gesehen, in New York, Madison Square Garden, mit den Dixie Chicks und Eric Clapton als Gästen.
    I have a face I cannot show
Make the rules up as I go
    Er erzählte ihr daraufhin, was er so trieb und warum
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