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Fuer Elise

Fuer Elise

Titel: Fuer Elise
Autoren: Nina Melchior
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Zeiten, aus dem alle, außer ihr, bereits geflohen schienen. Sicherheitshalber ließ sie die gesunde Hand übers Treppengeländer gleiten. Sie war mit dem gelähmten Arm geboren worden. Nur manchmal schämte sie sich dafür - meistens vor Micha.
    Als sie die Schwingtür zur Küche aufstieß, kam ihr ein Schwall abgestandene Luft entgegen. Es war der einzige Raum der Behaglichkeit besaß, was am alten Ofen lag, am Fehlen von goldenen Verzierungen, Brokat und überladenen Gemälden. Die Kaffeemaschine entsprach sogar modernsten Standards und jeden Morgen freute sich Elise erneut darüber. Ein paar gedrückte Knöpfe später, dampfte Elise frischer Kaffeeduft in die Nase.
    Sie zog ihr Handy heraus und legte es auf die Arbeitsplatte, neben das in rotes Leinen gefasste Buch. Hatte sie es hier liegen gelassen? Wann hatte sie sich überhaupt zuletzt mit den Theorien ihres Vaters beschäftigt?  Mit einem Fingernagel strich sie über den Mittelfalz.
     
    „ Aberglaube und Fantasie sind in der Vampirthematik kaum zu trennen. Es gibt keine Wissenschaftler, die sich auf Versuchstests berufen können - was ich endlich ändern will."
     
    Zur Motivation nahm sie den nächsten Schluck.
     
    „ Warum kam nie Kollege auf die Idee, dass es sich beim Vampirismus um eine Krankheit handelt? So ist beim Untoten von einem menschlichen Körper zu sprechen, der nicht mehr im medizinischen Sinne 'lebt' und dennoch zu einer Weiterexistenz fähig ist. Der Gesamtzustand des Vampirs bessert sich, sobald er Blut erhält oder sich, glaubt man Legenden, mit Jungfrauen (…) umgibt. Den Vampirismus zu heilen, wäre gleichbedeutend damit Seelen zu retten. Die, der Opfer und die, der Vampire… "
     
    Unverbesserlich mein Dad, dachte Elise und stellte die Tasse ab, um das Buch mit einer flapsigen Bewegung, zurück auf die Arbeitsplatte zu klappen. Sie drehte sich weg, um die Prägung des Wappens nicht eingehender betrachten zu müssen. Zwei Apothekerschlangen die sich um einen Stab wandten und von einer Fledermaus statt von Engelsflügeln gekrönt wurden.
    Tief in sich hoffte sie noch immer, dass es Vampire nicht gab. Aber es war an der Zeit, sich selbst zu überzeugen.
    Elise verließ die Küche und folgte der Verlängerung der Rundbogentreppe ins Kellergeschoss, wo die Stufen flach und aus abgegriffenem Stein bestanden. Am Fuß der Treppe verharrte sie, als ein neuer Schauer sie erfasste. Es war nur ein Eindruck, eine Intuition von Gefahr, die vorbeirauschte, wie ein Schleier aus Nebel und sich sofort wieder der Realität entzog.
    Vor ihr erstreckte sich der Gang zum Labor, mit Wänden aus Steinquadern, der sie immer wieder an die Gänge in Pyramiden erinnerten. Elise überlegte, wann sie hier jemand finden würde, wenn sie an Ort und Stelle ohnmächtig würde. Da sie und ihr Vater Kontakte aus Vorsicht gering gehalten hatten, kam seit Jahrzehnten kaum jemand nach Choisric Castle - ausgenommen natürlich Michael.
    Beim Gedanken an ihn ärgerte sie sich, dass sie das Handy in der Küche vergessen hatte. Es fühlte sich unsicher an zu dieser nächtlichen Uhrzeit das Labor zu betreten. Dabei lag das Labor unter der Erde und besaß keine Fenster.
    Meine Güte, es gibt wirklich keinen Anlass für meine Feigheit, dachte sie und trat ohne den Lichtschalter zu betätigen auf das Ende des Ganges zu. Ein Instinkt sagte ihr, dass jeder Entschluss töricht war, den man aufgrund eines Traumes traf, aber bereits als die Tür aufglitt, hüllte sie ein bekannter Kellergeruch ein und entführte sie in eine Vergangenheit, als sie noch ein Mädchen, ihr Vater am Leben und sie etwas weniger einsam gewesen war.
    Sie ließ die am Gewölbe angebrachten Arbeitslampen anspringen und obwohl sie seit einem knappen Jahr täglich nach den Tieren ihres Vaters sah, verschlug es ihr heute beim Anblick des Chaos den Atem.
    Die Bedeutung des Raums war jetzt eine andere. Sie atmete durch, schloss die Augen, hob den rechten Fuß und tat den entscheidenden Schritt nach vorn. Als sie sie wieder öffnete, fiel ihr Blick auf die eisenbeschlagene Rundbogentür, hinten an der rechten Seitenwand des Labors. Sie hing schief in der Wand, als hätten sich die Handwerker damals sehr beeilt sie fertigzustellen. Die Mythen und Geschichten ihres Großvaters drängten an die Oberfläche ihres Bewusstseins, doch Elise schloss die Augen und versagte ihnen den Zutritt.
    …eine Höhle unter dem alten Kloster… ein Vampirbau… wir haben ihn ausräuchert…
    Fest, sodass das Gebräu über den Rand
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