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Fünf

Fünf

Titel: Fünf
Autoren: Ursula Poznanski
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da.» Er legte auf, blickte hoch. «Wir haben eine Leiche, weiblich, in der Nähe von Abtenau. Wie es aussieht, ist sie von einer Felswand abgestürzt.»
    «Ach Scheiße. Klingt nach einem Kletterunfall.»
    Florins Brauen bildeten einen dunklen Balken über seinen Augen. «Kaum. Es sei denn, sie wäre mit gefesselten Händen geklettert.»
     
    Die Leiche war ein heller Fleck im Grün, flankiert von zwei Uniformierten. Ein großgewachsener Mann ohne Hemd, dafür in Latzhose, sah ihnen neugierig entgegen. Er stand auf der angrenzenden Wiese und hielt eine kleine Kuhherde in Schach. Kurz hob er die Hand, als ob er Beatrice und Florin winken wollte, ließ sie dann aber wieder sinken.
    Eine fast senkrechte Felswand, gut zwanzig Meter hoch, ragte direkt neben der Weide auf, ein schroffer Bruch inmitten der Postkartenlandschaft.
    Drasche und Ebner von der Spurensicherung waren offenbar wenige Minuten zuvor eingetroffen. Sie steckten bereits in ihren Schutzanzügen, hantierten mit ihren Utensilien und nickten knapp zur Begrüßung.
    Direkt neben dem Weidezaun kniete ein Mann und füllte ein Formular aus. Seinen Arztkoffer benutzte er als Schreibunterlage. «Guten Morgen», sagte er, ohne aufzublicken. «Sie sind vom BKA ?»
    «Ja. Ich bin Florin Wenninger, das hier ist meine Kollegin Beatrice Kaspary. Können Sie uns schon etwas zu der Toten sagen?»
    Der Arzt schob seufzend die Kappe auf seinen Kugelschreiber. «Nicht viel. Eine weibliche Leiche, circa fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt. Meiner Meinung nach hat jemand sie letzte Nacht von der Felswand geschubst. Todesursache vermutlich Schädeltrauma oder Aortenriss, das Genick ist jedenfalls nicht gebrochen. Genaueres müssen Sie den Gerichtsmediziner fragen.»
    «Todeszeit?»
    Der Arzt blies die Backen auf. «Zwischen zwei und vier Uhr morgens. Aber nageln Sie mich nicht darauf fest, ich soll hier nur den Tod feststellen.»
    Drasche stapfte vorbei, den Spurensicherungskoffer in der Hand. «Wer hat die Leiche angefasst?»
    Einer der beiden Uniformierten meldete sich zögernd. «Der Arzt. Und ich. Aber nur um den Puls zu fühlen. Nach einem Ausweis oder einem Portemonnaie habe ich auch gesucht, aber nichts gefunden. Wir haben die Lage der Frau nicht verändert.»
    «In Ordnung.» Drasche winkte Ebner zu sich, der die Kamera bereits im Anschlag hatte. Während die Spurensicherer fotografierten, Proben nahmen und sie in kleine Behältnisse verschlossen, ruhte Beatrices Blick auf der Toten. Sie versuchte alles auszublenden, die Kollegen, die Motorengeräusche der Bundesstraße, den Klang der Kuhglocken. Nur die Frau zählte.
    Sie lag auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht, die Beine nach rechts angewinkelt, wie mitten in einem Laufschritt erstarrt. Ihre Hände waren auf den Rücken gefesselt, die Gelenke straff mit Kabelbinder aneinandergezurrt.
    Geschlossene Augen, der Mund stand halb offen, als hätte der Tod die Frau während des Sprechens ereilt.
    Unwillkürlich füllte Beatrices Kopf sich mit Bildern: Die Frau wird durchs Dunkel gezerrt. Da ist der Abgrund. Sie wehrt sich, drängt zurück, fleht um ihr Leben, doch ihr Mörder hält sie fest, schiebt sie zur Kante, wartet, bis sie die Tiefe spüren kann, die vor ihr liegt. Dann ein leichter Stoß in den Rücken.
    «Alles in Ordnung?» Florins Hand berührte kurz ihren Arm.
    «Sicher.»
    «Ich rede mal mit den Kollegen. Du willst noch ein bisschen eintauchen, ja?»
    Eintauchen, so nannte er das. Beatrice nickte.
    «Tauch nicht zu tief.»
    Sie sah ihm nach, wie er auf die beiden Uniformierten zuging und sie in ein Gespräch verwickelte. Atmete durch. Es roch nicht nach Tod, nur nach Kuhdung und Wiesenblumen. Sie beobachtete Drasche dabei, wie er eine Plastiktüte um die gefesselten Hände stülpte. Am liebsten wäre sie über den Zaun gestiegen, um sich die Leiche näher anzusehen, aber das sahen die Spurensicherer nicht gern, und besonders Drasche konnte da richtig biestig werden. Ohne den Blick von der toten Frau zu lassen, lief sie einen kleinen Bogen um die Umzäunung der Weide herum, suchte eine andere Perspektive. Lenkte ihre Aufmerksamkeit auf die Kleidung der Leiche: hellrote Seidenjacke über einer Bluse mit Blumenmuster. Teure Jeans. Keine Schuhe, die Fußsohlen sehr schmutzig und ein wenig blutig, als hätte die Frau barfuß einen weiten Weg zurückgelegt. Mitten im Schmutz dunkle Spuren auf jedem Fuß. Kleine, schwarze Markierungen. Oder …
    Beatrice ging in die Hocke und kniff die Augen zusammen, doch
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