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Fünf Brüder wie wir

Fünf Brüder wie wir

Titel: Fünf Brüder wie wir
Autoren: Ravensburger
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nicht gerade häufig vor. Aber fünf Jungs, die alle denselben Vornamen haben und danach folgt ein einzelner wandelnder Buchstabe wie in einem Wörterbuch? Dann schon lieber Eins, Zwei, Drei …!
    Trotzdem, was wir da alles an Scherzen und Spötteleien aushalten müssen, kann man sich leicht vorstellen. Ich habe eine Liste angelegt in meinem geheimen Tagebuch. Also, es gibt:
    Jean-A.: zehn Jahre, immer nur Jean Eins genannt oder A*** wegen seines fiesen Charakters. Will immer der Boss sein.
    Jean-B.: acht Jahre. Das bin ich. Codename: Jean Zwei oder Bummelchen, weil ich so gern esse und ein bisschen rundlich bin.
    Jean-C.: alias Jean Drei, sechs Jahre, von mir Capito getauft, weil er meistens zu zerstreut ist, um mitzubekommen, was los ist.
    Jean-D.: vier Jahre, unser Jean Vier, auch: Dummerchen genannt. Ratet mal, warum!
    Jean-E.: zwei Jahre, von uns allen nur Jean Fünf gerufen. Kein anderer Spitzname, weil er dafür noch zu klein ist.
    Wenn wir in den Straßen von Cherbourg spazieren gehen, dann gucken uns die Leute meistens so merkwürdig an. Fünf Brüder wie die Orgelpfeifen, alle mit dem gleichen runden Gesicht und den gleichen Segelohren. Eine Familie? Nein. Eher eine Jahrmarktsattraktion. Wir fühlen uns immer, als wären wir eine Zirkustruppe, zum Beispiel Zwergakrobaten, die gleich durch Reifen springen oder eine menschliche Pyramide bauen.
    „Heute Abend Sondervorstellung! Kommen Sie! Applaudieren Sie den fünf Brüdern bei ihrer atemberaubenden Akrobatiknummer!“
    Mama, die sehr auf Ordnung hält, hat uns in drei Gruppen aufgeteilt: die Großen (Jean Eins und mich), die Mittleren (Jean Drei und Jean Vier) und den Kleinen, Jean Fünf, der als Letzter auf die Welt gekommen ist. Er hat als Einziger ein Zimmer für sich allein.
    Ich muss mir das Zimmer mit Jean Eins teilen. Wir haben Stockbetten und wechseln uns wochenweise beim Tischdecken oder Geschirrabtrocknen ab. Bei der geringsten Kleinigkeit kriegen wir Ärger, weil wir die beiden Großen sind und ein gutes Beispiel geben müssen.
    Manchmal würde ich am liebsten Jean-der-Einzige heißen. Ein Einzelkind sein. Eine Zahl für sich, kein Bruchteil. Im oberen Bett schlafen können, wenn ich Lust darauf habe, statt es Jean Eins zu überlassen. Bloß weil er der Ältere ist, glaubt er, mich immer herumkommandieren zu können.
    Aber so ist es eben: Kann sich irgendjemand seine Familie aussuchen?
    „Jean Vier“, sagte Mama, „bohr nicht in der Nase! Und jetzt hört mir alle zu. Ich habe euch eine frohe Botschaft zu verkünden.“
    Sie hatte Weihnachtsmusik auf dem Plattenspieler aufgelegt, sich uns gegenüber auf einen Stuhl gesetzt und wir haben alle gespürt, dass es ein sehr wichtiger Augenblick war.
    Sogar Jean Drei hielt still, obwohl ihn die Tannennadeln in den Hintern piksten. Die elektrische Lichterkette blinkte, Windböen peitschten den Regen gegen das Fenster. Mit Schnee an Weihnachten würde es auch diesmal nichts werden, aber auf einmal war es so richtig wohlig im Zimmer. Der Ofen bullerte gemütlich vor sich hin, es roch nach harzigem Tannenduft und der riesige Christbaum ragte hoch über unseren Köpfen auf.
    Ich mag die Tage vor Weihnachten. Das Wohnzimmer ist mit Girlanden und Engeln aus Goldpapier geschmückt, nach dem Abendessen darf immer einer von uns ein Türchen im Adventskalender aufmachen und vor der Krippe stehen fünf Schäfchen aus Gips. Eines für jeden von uns. Wer den ganzen Tag über brav war, darf sein Schäfchen ein kleines bisschen nach vorne schieben.
    Nur Jean Eins schummelt dabei. Er will immer, dass sein Schaf das erste ist. Deshalb tricksen jetzt auch alle anderen herum und verschieben tagsüber heimlich ihre Schäfchen. Es ist wie bei der Tour de France, jeder will den Etappensieg einfahren. Aber nun müssen wir sie jeden Abend wieder auf die Startlinie zurückschieben und Weihnachten kommt so bestimmt nie!
    „Also.“ Mama versuchte es noch einmal. „Wer will die frohe Botschaft erfahren?“
    Jean Drei und Jean Vier hoben die Hand und riefen: „Ich! Ich!“
    Jean Fünf, der auf keine Fälle zu kurz kommen wollte, schrie daraufhin auch sofort: „Ich! Ich!“ Man konnte sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Alle brüllten durcheinander, weil sie die Ersten sein wollten, die die frohe Botschaft erfuhren.
    „Ruhe!“, rief Mama, die auf einmal sehr blass geworden war. „Wie wollt ihr denn verstehen, was ich euch zu sagen habe, wenn ihr …“
    Sie hörte mitten im Satz auf, fasste sich mit den Händen an den
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