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Fünf Brüder wie wir

Fünf Brüder wie wir

Titel: Fünf Brüder wie wir
Autoren: Ravensburger
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dabei die Nase zu.
    Mama regte sich am meisten auf. Sie schimpfte laut, dass das ja schon mal gut anfange. Was solle sie denn jetzt machen, hmm? Die fast neuen Wintersachen, die die Fougasse-Cousins uns freundlicherweise ausgeliehen hatten! Konnten wir denn nie aufpassen …?
    Papa versuchte einen kleinen Scherz zu machen, aber er begriff sofort, dass dafür jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war.
    Wir haben uns schweigend ausgezogen und hockten in langer Unterhose und langem Unterhemd im Zimmer herum, während Mama alle unsere Sachen in dem kleinen Waschbecken gewaschen hat.
    „Ach was!“ Papa startete einen neuen Versuch. „Das sind eben die Freuden des Gebirges …“
    Da warf Mama ihm einen so düsteren Blick zu, dass er anfing, durch die Zähne zu pfeifen und durchs Fenster die fernen Schneegipfel zu betrachten.
    „Geschafft“, sagte Mama, als sie fertig war. „Jetzt müssen wir abwarten, bis alles trocken ist. Keine Handschuhe, keine Anoraks. Bravo, der Tag ist im Eimer!“
    „So ein Pech!“, sagte Jean Eins. „Und wenn wir runtergehen und ein bisschen fernsehen?“
    Am nächsten Tag hatte Papa eine neue Idee.
    Ganz aufgeregt kam er vom Fremdenverkehrsbüro mit einem Stapel Prospekte zurück.
    „Wie, ihr seid noch immer nicht fertig, Jungs? Draußen ist strahlendes Wetter. Ideal für einen Ausflug zur Grande Aiguille. Treffpunkt in einer Viertelstunde vor dem Hotel.“
    Über Nacht waren die Anoraks getrocknet. Wir zogen uns murrend an. Aber Papa duldete keinen Einspruch. Wir waren ja schließlich nicht in die Berge gefahren, um den ganzen Tag stumpfsinnig vor der Glotze zu hocken.
    Die Grande Aiguille ist der Gipfel hoch über dem Dorf. Um dort hinaufzukommen, muss man die Seilbahn nehmen. Papa versuchte für uns eine Ermäßigung zu bekommen, aber weil er die Ermäßigungskarte für kinderreiche Familien zu Hause vergessen hatte, musste er den vollen Preis bezahlen.
    „Berg- und Talfahrt?“, fragte der Angestellte hinter der Scheibe, während er sich den Daumen auf einem kleinen Schwamm anfeuchtete.
    „Natürlich nur Bergfahrt“, spottete Papa. „Wir wollen uns dort oben einen Iglu bauen und drinnen nackt übernachten.“
    „Wie Sie meinen“, sagte der Angestellte und riss die Fahrkarten von seinem Block ab.
    „Was für ein Schwachkopf!“, murmelte Papa, als wir uns vor dem Drehkreuz anstellten. „Was glaubt er denn? Dass wir mit dem Fallschirm ins Tal zurücksegeln?“
    Die erste Kabine war gleich voll, deshalb mussten wir auf die nächste warten.
    Als wir an der Reihe waren, stopften wir uns zu siebt in die Kabine, dann zwängte sich noch der Angestellte hinein und knallte die Tür zu.
    „Achtung, es geht los!“, rief er.
    Es folgte ein Rumpeln, ein Mechanismus knarzte laut und die Kabine schoss in den Abgrund hinaus.
    „Na?“, fragte Papa. „Ist das nicht großartig?“
    Niemand antwortete. Ich hatte das Gefühl, mich in einem Ei zu befinden, einer Plastikschale, die kaum größer als ein Tischtennisball war. Jean Vier und Jean Fünf klammerten sich an Mama, deshalb sagte der Angestellte zu mir: „Mach einen Schritt zur Seite, junger Mann, damit das Gewicht gleichmäßig verteilt ist. Bei starkem Wind ist das vorteilhafter.“
    Als ich mich endlich traute, nach unten zu schauen, befanden wir uns bereits in schwindelerregender Höhe. Man konnte die schneebedeckten Dächer des Dorfs sehen. Winzige Skifahrer sausten die Pisten hinunter.
    „Gämsen!“, rief Papa aufgeregt und zeigte auf kleine dunkle Flecken, die auf dem Hang unter uns verteilt waren. „Schaut mal, Kinder!“
    „Das sind Kühe“, verbesserte ihn der Angestellte freundlich. „Nur Kühe.“
    Papa lachte laut auf, als hätte der Angestellte einen dummen Witz gemacht, was dem aber nicht zu gefallen schien. Es war auch egal, denn inzwischen konnte man aus unserer Höhe sowieso nichts mehr erkennen, weil Nebel aufgezogen war und das Tal unter uns verdeckte.
    „Oje!“, rief der Angestellte.
    „Wie bitte?“, fragte Papa.
    „Nichts, nichts“, sagte der Angestellte.
    „Sie haben ‚Oje‘ gesagt“, beharrte Papa. „Stimmt irgendwas nicht?“
    „Nein, nein. Außer, na ja …“
    „Was ‚na ja‘?“, fragte Papa genervt.
    Der Angestellte deutete mit dem Kinn auf den grauen Nebel, der uns einhüllte.
    „Schlechtes Zeichen“, sagte er. „Wenn der Nebel so aufsteigt … Aber Gewitter sind noch viel schlimmer. Haben Sie schon mal einen Blitz durch eine Kabine hindurchfahren sehen? Wie eine
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