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Fuehrungs-Spiel

Fuehrungs-Spiel

Titel: Fuehrungs-Spiel
Autoren: Bernhard Peters , Hans-Dieter Hermann , Moritz Mueller-Wirth
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– es ist hinreichend oft beschrieben worden – der Trainer Klinsmann erhob nie den Anspruch, eine Mannschaft alleine führen zu wollen. Sein Stab, vor allem Jogi mit seiner jahrelangen Erfahrung als Trainer, glich genau jene auch in der mangelnden Ausbildung begründeten Defizite des Bundestrainers aus, auf die dieser auch selbst immer wieder hingewiesen hatte.
    Ich versuchte also, den Trainerschülern in meinen wenigen Unterrichtseinheiten aufzuzeigen, dass die Kompetenz eines Trainers nicht nur aus klugen Taktikanalysen und disziplinarischen Maßnahmen erwächst. Dass vor allem soziale Kompetenz und stete Arbeit an der eigenen Persönlichkeit entscheidend seien für die Glaubwürdigkeit eines Trainers und somit auch für die Motivation einer Mannschaft. Kurz: Ich beschrieb ihnen meinen ganzheitlichen Ansatz zur emotionalen Führung eines Teams: die Notwendigkeit, die Spieler auch als Menschen zu begleiten, sie extrem zu fordern und gleichzeitig auch auf nicht sportlichem Gebiet zu fördern. Ich beschrieb auch meine Philosophie, mich mit Fachleuten zu umgeben, die auf ihren Gebieten mir an Kompetenz voraus waren. Ich weiß aus vielen positiven Rückmeldungen, dass meine Zuhörer, vor allem auch die ehemaligen Profis, hier großen Nachholbedarf hatten, dass sie viel mehr wissen wollten, als der knappe Zeitplan zuließ.
    Denn: Der Gesamtzusammenhang einer konzeptionellen Arbeit für den Trainings- und Wettkampfprozess ist in dieser kurzen Zeitspanne nicht umfassend zu bearbeiten, ebenso wenig können die notwendigen Grundlagen für die Entwicklung zu führungsstarken Trainerpersönlichkeiten gelegt werden. Hinzu kommt: Das Anforderungsprofil eines Trainers hat sich durch vielfältige neue Erkenntnisse der Sportwissenschaft dramatisch verändert und das Tempo der Veränderung steigt ständig weiter. Die Zeit, in der man allein mit dem Erfahrungswissen einer langen Spielerkarriere erfolgreich arbeiten konnte, ist vorbei. Nicht umsonst beschäftigen die europäischen Spitzenvereine inzwischen eine große Zahl von Spezialisten: Athletiktrainer, Ernährungsspezialisten, Psychologen, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Diese sind auf ihren jeweiligen Gebieten absolute Fachleute, sie bilden sich permanent weiter, um auf dem neuesten Stand der Entwicklungen zu bleiben. Sie arbeiten weitgehend selbstständig, der Cheftrainer vertraut ihnen, er muss ihnen vertrauen, weil er auf sie angewiesen ist.
    Der moderne Trainer ist folglich in erster Linie ein Kommunikator. Er muss verstehen, ein Team als die Summe seiner einzelnen Persönlichkeiten zu formen und zu führen. Dazu muss er weder die Laktatwerte seiner Spieler auswendig kennen noch selbst die Übungen auf dem Trainingsplatz vormachen oder am Videogerät die Spielszenen zusammenschneiden. Er ist Beobachter und Moderator, umgeben von einem Team von Spezialisten, die ihm in ihren jeweiligen Bereichen überlegen sind. Nicht zuletzt ist er – als Chef – Lehrender und permanent Lernender zugleich, eine Persönlichkeit eben, die führen kann, egal ob im Fußball, im Hockey oder auch außerhalb des Sports. Vor allem ist er aber, zu Beginn seiner Ausbildung, auch als früherer Nationalspieler: ein blutiger Anfänger in diesem Beruf.
    Dies alles also hatte ich, natürlich unterfüttert mit Beispielen aus der Praxis, im Gepäck, als ich eines Tages zu Beginn des Jahres 2006 gemeinsam mit Oliver Bierhoff im Büro von Wolfgang Niersbach saß, einem der einflussreichsten Män ner des Verbandes, der bald DFB-Generalsekretär werden sollte. Niersbach merkte sofort, auf was der DFB sich einlassen würde, wenn er mich zum Sportdirektor machte. »Die Ideen, die Sie haben, sind gut«, kommentierte er meine Statements, um dann etwas bang nachzufragen: »Aber Sie wollen das alles ja wohl nicht in einer Revolution durchpeitschen?« Ich konnte ihn beruhigen: Es ging mir nicht darum, irgendetwas effektvoll zu zerstören, mir ging es – wie ja auch Jürgen und Jogi – um ein nachhaltiges, langfristiges Konzept. Wir schienen uns einig.
    Um es vorwegzunehmen: Alles, was ab diesem Moment geschah, war für mich eine spannende, lehrreiche Erfahrung in meiner Biografie. Ich versuche deshalb, im Folgenden meine Wahrnehmung der Ereignisse wiederzugeben, die für mich mit mancher Enttäuschung verbunden waren. Ich schildere dies ohne Groll und schlechte Gefühle gegenüber meinen damaligen Verhandlungspartnern beim DFB, mit denen ich heute kollegial zusammenarbeite.
    Am Freitag der gleichen Woche
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