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Frühstückspension: Kriminalroman

Frühstückspension: Kriminalroman

Titel: Frühstückspension: Kriminalroman
Autoren: Sigrid Hunold-Reime
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springen.
    »Oh nein«, wiederholt er. »Ich werde nicht für irgendeine krumme Sache den Kopf hinhalten.«
    Keine von uns sagt ein Wort. Ich kann nur denken: Gleich haut er ab, und das war es dann. Noch ein Mitwisser mehr. Das ist alles, was dabei herausgekommen ist.
    Sievers stiert Maike mit glasigen Augen an, als hätte er auf die Schnelle einige Schnäpse getrunken. Wir wappnen uns, sie vor einem erneuten Übergriff zu schützen, da sagt er: »Du hast nicht den Ansatz einer Ahnung, was du hier von mir verlangst.«
    Maike reckt sich und sieht ihn kalt an: »Doch, die habe ich. Die habe ich ganz genau.«
    Er öffnet und schließt den Mund, ohne einen Ton herauszubringen. Anscheinend sucht er krampfhaft nach einer Lücke, um dem Netz zu entkommen. Er windet sich und sieht noch einmal Maike durchdringend an. Aber sie hält seinem Blick mit aller Entschlossenheit stand. Seine Schultern sacken nach vorn, und er würgt kaum hörbar hervor: »Wo kann ich schreiben?«
    »Hier!«, antwortet Tomke sofort hellwach und weist ihm eilfertig den Weg in die Küche. Dabei bedenkt sie Maike mit einem geradezu ehrfürchtigen Blick.
    »Die Personalien«, fordert Sievers heiser. »Kann ich das Stammbuch haben?«
    »Selbstverständlich«, antwortet Tomke eifrig und rennt los, um es zu holen. Sie beeilt sich, als befürchte sie, er könne es sich jeden Augenblick anders überlegen. Außer Atem kommt sie mit dem Buch zurück.
    Sievers setzt sich umständlich an den Tisch und holt das Formular aus seiner Tasche. Dann beginnt er zu schreiben, ohne einmal den Stift abzusetzen. Wir stehen alle drei um ihn herum. Ich kann es noch immer nicht fassen, dass er meinem Mann bescheinigt, als Gerold Heinrich an einem Zuckerschock gestorben zu sein. Als Sievers unterschreibt, zittert seine Hand, und ich erkenne in Maikes Gesicht ein kleines, zufriedenes Lächeln.
    Er steckt den Durchschlag ein und lässt das Original auf dem Tisch liegen. Ohne eine von uns noch eines Blickes zu würdigen, verlässt er mit steifen Schritten die Küche.
    Wir bleiben stehen. Hören, wie die Haustür ins Schloss fällt, der Motor anspringt und sich sein Wagen entfernt.
     

14
     
    Mir fehlt jedes Zeitgefühl. Sind zehn Minuten vergangen oder schon eine halbe Stunde? Längst hören wir nur noch die Regentropfen, die von Böen an die Fensterscheibe gepeitscht werden.
    Doch wir bleiben regungslos stehen, als erwarteten wir, dass Sievers jeden Augenblick zurückkommen, den Schein schnappen und ihn zerreißen könnte.
    In Tomke kommt als Erste wieder Bewegung. Sie geht vorsichtig auf den Tisch zu, nimmt das Dokument und setzt sich.
    »Gerold Heinrich«, liest sie andächtig und presst das Papier für einen Augenblick an den Busen. Dann sieht sie mit einem unsicheren Lächeln zu uns hoch.
    »Setzt euch doch. Was ist denn?«
    Was ist mit uns, wiederhole ich in Gedanken und setze mich. Keine Ahnung. Etwas hat sich, seitdem der Totenschein unterschrieben ist und Sievers das Haus verlassen hat, zwischen uns verändert. Uns verbindet nicht die erhoffte Erleichterung, die Freude, das Bedürfnis, sich in die Arme zu fallen. Nur eine ungeheure Müdigkeit und eine ungewohnte Scheu, miteinander umzugehen. Am liebsten würde ich nach oben gehen und allein sein.
    »Ist das nicht eigenartig?«, sagt Tomke nachdenklich. »Jetzt haben wir es geschafft, und keine von uns ist in Feierlaune.«
    Dass Tomke die Stimmung in Worte packt, tut gut und nimmt ein wenig die Anspannung.
    Ich nickte zustimmend und suche Maikes Blick. Die hat sich zwar zu uns gesetzt, aber sie scheint in Gedanken weit entfernt zu sein. Sie schaut an mir vorbei und beobachtet die Regentropfen, die an der Fensterscheibe herunterlaufen. Ich wage es nicht, sie anzusprechen.
    Tomke steht auf, nimmt den Totenschein und packt ihn sorgfältig in eine bereitliegende Klarsichthülle. Schon in der Tür, dreht sie sich um und fragt Maike: »Warum hast du das für uns getan? Normalerweise hättest du sofort weglaufen müssen.«
    Maike zuckt nur mit den Achseln.
    »Was ist zwischen dir und diesem Typen überhaupt gewesen?«, hakt Tomke weiter nach. »Dem war doch klar, dass hier was nicht koscher ist. Warum hat er trotzdem unterschrieben? Auf mich hat er nicht den Eindruck gemacht, als würde ihm so was leichtfallen.«
    Als Maike noch immer nicht antwortet, fragt Tomke: »Du bereust es schon, nicht wahr?«
    Ich mag kaum hochsehen, weil mich genau die gleiche Frage quält. Wir haben Maike mitten in ein Mordkomplott katapultiert. Sie ist
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