Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühlings Erwachen (German Edition)

Frühlings Erwachen (German Edition)

Titel: Frühlings Erwachen (German Edition)
Autoren: Frank Wedekind
Vom Netzwerk:
drübergeworfen.
    Otto Grauenhaft!
    Hänschen Rilow Weißt du bestimmt, daß er sich erhängt hat?
    Ernst Man sagt, er habe gar keinen Kopf mehr.
    Otto Unsinn! – Gewäsch!
    Robert Ich habe ja den Strick in Händen gehabt! – Ich habe noch keinen Erhängten gesehen, den man nicht zugedeckt hätte.
    Georg Auf gemeinere Art hätte er sich nicht empfehlen können!
    Hänschen Rilow Was Teufel, das Erhängen soll ganz hübsch sein!
    Otto Mir ist er nämlich noch fünf Mark schuldig. Wir hatten gewettet. Er schwor, er werde sich halten.
    Hänschen Rilow Du bist schuld, daß er daliegt. Du hast ihn Prahlhans genannt.
    Otto Papperlapapp, ich muß auch büffeln die Nächte durch. Hätte er die griechische Literaturgeschichte gelernt, er hätte sich nicht zu erhängen brauchen!
    Ernst Hast du den Aufsatz, Otto?
    Otto Erst die Einleitung.
    Ernst Ich weiß gar nicht, was schreiben.
    Georg Warst du denn nicht da, als uns Affenschmalz die Disposition gab?
    Hänschen Rilow Ich stopsle mir was aus dem Demokrit zusammen.
    Ernst Ich will sehen, ob sich im Kleinen Meyer was finden läßt.
    Otto Hast du den Vergil schon auf morgen? – – –
    Die Gymnasiasten ab. – Martha und Ilse kommen ans Grab.
    Ilse Rasch, rasch! – Dort hinten kommen die Totengräber.
    Martha Wollen wir nicht lieber warten, Ilse?
    Ilse Wozu? – Wir bringen neue. Immer neue und neue! – Es wachsen genug.
    Martha Du hast recht, Ilse! – Sie wirft einen Efeukranz in die Gruft. Ilse öffnet ihre Schürze und läßt eine Fülle frischer Anemonen auf den Sarg regnen.
    Martha Ich grabe unsere Rosen aus. Schläge bekomme ich ja doch! – Hier werden sie gedeihen.
    Ilse Ich will sie begießen, sooft ich vorbeikomme. Ich hole Vergißmeinnicht vom Goldbach herüber, und Schwertlilien bringe ich von Hause mit.
    Martha Es soll eine Pracht werden! Eine Pracht!
    Ilse Ich war schon über der Brücke drüben, da hört' ich den Knall.
    Martha Armes Herz!
    Ilse Und ich weiß auch den Grund, Martha.
    Martha Hat er dir was gesagt?
    Ilse Parallelepipedon! Aber sag es niemandem.
    Martha Meine Hand darauf.
    Ilse – Hier ist die Pistole.
    Martha Deshalb hat man sie nicht gefunden!
    Ilse Ich nahm sie ihm gleich aus der Hand, als ich am Morgen vorbeikam.
    Martha Schenk sie mir, Ilse! – Bitte, schenk sie mir!
    Ilse Nein, die behalt' ich zum Andenken.
    Martha Ist's wahr, Ilse, daß er ohne Kopf drinliegt?
    Ilse Er muß sie mit Wasser geladen haben! – Die Königskerzen waren über und über mit Blut besprengt. Sein Hirn hing in den Weiden umher.

Dritte Szene
    Herr und Frau Gabor.
    Frau Gabor ... Man hatte einen Sündenbock nötig. Man durfte die überall lautwerdenden Anschuldigungen nicht auf sich beruhen lassen. Und nun mein Kind das Unglück gehabt, den Zöpfen im richtigen Moment in den Schuß zu laufen, nun soll ich, die eigene Mutter, das Werk seiner Henker vollenden helfen? Bewahre mich Gott davor!
    Herr Gabor – Ich habe deine geistvolle Erziehungsmethode vierzehn Jahre schweigend mit angesehen. Sie widersprach meinen Begriffen. Ich hatte von jeher der Überzeugung gelebt, ein Kind sei kein Spielzeug; ein Kind habe Anspruch auf unsern heiligen Ernst. Aber ich sagte mir, wenn der Geist und die Grazie des einen die ernsten Grundsätze eines andern zu ersetzen imstande sind, so mögen sie den ernsten Grundsätzen vorzuziehen sein. – – Ich mache dir keinen Vorwurf, Fanny. Aber vertritt mir den Weg nicht, wenn ich dein und mein Unrecht an dem Jungen gutzumachen suche!
    Frau Gabor Ich vertrete dir den Weg, solange ein Tropfen warmen Blutes in mir wallt! In der Korrektionsanstalt ist mein Kind verloren. Eine Verbrechernatur mag sich in solchen Instituten bessern lassen. Ich weiß es nicht. Ein gutgearteter Mensch wird so gewiß zum Verbrecher darin, wie die Pflanze verkommt, der du Luft und Sonne entziehst. Ich bin mir keines Unrechtes bewußt. Ich danke heute wie immer dem Himmel, daß er mir den Weg gezeigt, in meinem Kinde einen rechtlichen Charakter und eine edle Denkungsweise zu wecken. Was hat er denn so Schreckliches getan? Es soll mir nicht einfallen, ihn entschuldigen zu wollen – daran, daß man ihn aus der Schule gejagt, trägt er keine Schuld. Und wäre es sein Verschulden, so hat er es ja gebüßt. Du magst das alles besser wissen. Du magst theoretisch vollkommen im Rechte sein. Aber ich kann mir mein einziges Kind nicht gewaltsam in den Tod jagen lassen!
    Herr Gabor Das hängt nicht von uns ab, Fanny. – Das ist ein Risiko, das wir mit unserm Glück auf
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher