Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frühling

Frühling

Titel: Frühling
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
die Leichen schon verwest und kommen wieder in den Boden, den sie fett undschwarz und fruchtbar machen müssen, und es geht wieder nicht lange, so steigen aus dem trüben Schutt und Tod von neuem Keime und Sprossen, so kehrt das Faule und Aufgelöste mit Macht in neuen, schönen, farbigen Gestalten wieder. Und der ganze, einfache und sichere Kreislauf, der dem Menschen so viel und schwer zu denken gibt und an dem alle Religionen ahnungsvoll verehrend deuten, geht in jedem kleinen Gärtchen so still und rasch und deutlich vor sich. Kein Sommer, der sich nicht vom Tode des vorigen nährt. Und kein Gewächs, das nicht ebenso still und sicher zu Erde wird, wie es aus Erde zur Pflanze ward.
    In meinem kleinen Garten säe ich mit froher Frühlingserwartung Bohnen und Salat, Reseden und Kressen und dünge sie mit den Resten ihrer Vorgänger, denke an diese zurück und an die kommenden Pflanzengeschlechter voraus. Wie jedermann nehme ich diesen wohlgeordneten Kreislauf hin als eine selbstverständliche und im Grunde innig schöne Sache; und nur zuweilen kommt es mir im Säen und Ernten für Augenblicke in den Sinn, wie merkwürdig es doch ist, daß von allen Geschöpfen der Erde nur allein wir Menschen an diesem Lauf der Dinge etwas auszusetzen haben und mit der Unsterblichkeit aller Dinge nicht zufrieden sind, sondern für uns eine persönliche, eigene, besondere haben wollen.
    (1908)

/ GÄRTNER TRÄUMT /
(Für Ninon am 1. Juli 1933)
    Was hat die Traumfee in der Wunderbüchse?
Vor allem ein Gebirg von bestem Mist!
Dann einen Weg, auf dem kein Unkraut wüchse,
Ein Katzenpaar, das keinen Vogel frißt.
    Ein Pulver auch, mit dem bestreut, alsbald
Blattläuse sich in Rosenflor verwandeln,
Robinien jedoch zum Palmenwald,
Mit dessen Ernte wir gewinnreich handeln.
    O Fee, und mache, daß uns Wasser flösse
An jedem Ort, den wir bepflanzt, besät;
Gib uns Spinat, der nie in Blüten schösse,
Und einen Schubkarrn, der von selber geht!
    Und eines noch: ein sicheres Mäusegift,
Den Wetterzauber gegen Hageltücken,
Vom Stall zum Hause einen kleinen Lift,
Und jeden Abend einen neuen Rücken.
/ IM GRASE HINGESTRECKT /
    Im Grase hingestreckt,
Lausch ich der Halme zartem Wald,
Der flüstert wirr und hat mir bald
Den Himmel fast verdeckt.
    Es kommt die Zeit heran,
Da weiß ich nichts von Leide mehr,
Und schmerzt es heute noch so sehr,
Alsdann ist es vertan.
    Dann kreist mein heißes Blut
Gekühlt und licht in Halm und Klee,
Und dieser Stunde grimmes Weh
Ist still, ist kühl, ist gut.
    Den meine Sehnsucht spinnt,
Der Traum wird eine Blume sein.
In seinem Dufte schlaf ich ein,
Ein heimgekehrtes Kind.
/ MÄRZ /
    Seele, laß das Trauern,
Ob die Sonne auch noch trügt!
Schau, sogar die Bauern
Regen sich und sind vergnügt.
/ APRIL /
    Nun mache deine Augen klar
Und hege Lust im Herzen;
Der dich noch trog im Märzen,
Der liebe Frühling wird nun wahr.
/ MAI /
    Jüngling, fühle in der Brust
Minneleid und Minnelust,
Aber glaube nicht zu haben
Mehr Gefühl als andre Knaben!
/ FRÜHLING IN LOCARNO /
    Wipfel wehn in dunklem Feuer,
Im vertrauensvollen Blau
Zeigt sich kindlicher und neuer
Alles aufgetan zur Schau.
Alte oftbegangne Stufen
Schmeicheln klug den Berg hinan,
Von verbrannter Mauer rufen
Frühste Blumen zart mich an.
Bergbach wühlt in grünen Kressen,
Felsen tropft und Sonne leckt,
Sieht mich willig zu vergessen,
Daß die Fremde bitter schmeckt.
    // Vor einigen Jahren war im Tessin noch Mittelalter, war hier noch Paradies und Südsee. Jetzt ist das Tessin erobert von Berlin und Frankfurt, von Cook und Baedeker und wenn jemand von der überbevölkerung der Erde sich ein deutliches Bild machen will, so muß er nicht an ein Rennen in Karlshorst gehen, denn dort ist ja Platz genug.
    Die Ankunft in Lugano war nicht entzückend. Die übervölkerung hat mir seit langem nicht mehr so übel entgegengeschrien wie hier, wo um die Zeit der Ostern sich die Fremden zusammenscharen wie die Heuschrecken. In dem kleinen Lugano sind ein Viertel der Einwohner von Berlin, ein Drittel von Zürich, ein Fünftel von Frankfurt und Stuttgart anzutreffen; auf den Quadratmeter kommen etwa zehn Menschen, täglich werden viele erdrückt, und dennoch spürt man keine Abnahme, nein jeder ankommende Schnellzug bringt fünfhundert bis tausend neue Gäste.
    Diese Fremden sind selbstverständlich reizende Menschen, sie sind wohlerzogen, unendlich bescheiden, sie nehmen mit unendlich Wenigem vorlieb, zu dreien schlafen sie in einer Badewanne oder auf dem Ast eines Apfelbaumes,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher