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Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)

Titel: Frikassee zum Frühstück (ISAR 2066) (German Edition)
Autoren: Miriam Pharo
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auf der Stirn Ich befinde mich gerade in Sphäre 5 , Obere Markstraße, Abschnitt 3. Komm vorbei und fick mich! oder um es mit gepflegteren Worten zu sagen: Die Cybermine hat ganze Arbeit geleistet.
      Jetzt muss alles sehr schnell gehen. Ich springe auf und mache mich auf den Weg. Sobald ich vor Ort bin, werde ich Jimmy anweisen, erneut eine Fehlermeldung zu schicken. Angesichts der Tatsache, dass der Kommunikator auffällig ist, spekuliere ich darauf, dass der Erpresser ihn irgendwo am Körper versteckt hat und dass Jimmys Nachricht ihn zu einer – wie ich hoffe – erkennbaren Reaktion bewegen wird.
      Um schnell an mein Ziel zu gelangen, nehme ich eine Equipage. Schon im Hinausgehen habe ich sie per InterCom geordert und als ich aus Jimmys Atelier stürze, gleitet der Inhouse-Scooter bereits um die Ecke, um direkt vor dem Eingang stehen zu bleiben. Das schwarz-gelbe Gefährt erinnert entfernt an eine offene Kutsche, nur eben ohne Räder und Pferde. Ich habe bei meiner Reservierung angegeben, dass ich der einzige Fahrgast bin, und die Equipage hat sich bereits zu einem Zweisitzer zusammengefaltet.
      Zehn Minuten später erreiche ich über den Ring eine der oberen Terrassen. Ich steige aus, betrete die kurze Gangway nach oben und gelange zu einer rosenbewachsenen Loggia, in deren Mitte ein Musikensemble im Frack das Publikum in den Cafés rundum unterhält. Der viereckige Platz ist von Gebäuden eingesäumt und gut zu überblicken. Plötzlich habe ich es gar nicht mehr so eilig. Ich steuere einen der runden Tische an, bestelle per Fingerdruck einen Latte-Latte, der wenige Sekunden später über ein Rohrsystem im Boden unter meinen Füßen nach oben befördert wird. Eine bis dato unsichtbare Klappe in der Tischplatte öffnet sich und das dampfende Glas gleitet wie von Zauberhand hindurch.
      Während ich an dem süßlichen Getränk nippe, schaue ich mich um. Die Cafés sind gut besucht. Gegenstand der Aufmerksamkeit ist der Leadsänger: ein Schmalzbolzen mit langen Haaren und alterslosem Gesicht. Ohne Regency wirkt die Bühne ähnlich glamourös wie eine Ansammlung von Bananenkisten und die Stimme des Sängers erinnert an eine nicht geölte Metalltür. Warum das überwiegend weibliche Publikum wie gebannt wirkt, ist mir schleierhaft. Vielleicht liegt es am Repertoire. Er schmettert einen Oldie nach dem anderen. Alles Songs aus dem letzten Jahrhundert, mit denen ich nichts anfangen kann.
      Abgesehen von den sommerlich gekleideten Gästen an den Tischen fallen mir zwei Personen auf: ein Zeitungsjunge mit auffallend blauen Augen und eine dösende, sehr alte Frau auf einer etwas abseits liegenden Parkbank. Der Junge wedelt mit einer Folien-Ausgabe des Starnberg Daily und blickt sich nach potentiellen Käufern um, während die Greisin in sich zusammengesackt ist. Ihr Kinn ruht friedlich in einer großen Stoffschleife. Ein Sabberfaden hängt aus ihrem rechten Mundwinkel.
      Kurz werde ich abgelenkt, als der Schnulzensänger ein neues Lied anstimmt. You’re Beautiful . Ich bin kein Experte altertümlicher Balladen, doch ich glaube, der Vorname des Interpreten war James. Eine große Nummer damals. Kaum schmettert der Sänger die ersten Takte – seine Stimme zittert vor überbordender Emotion –, passiert etwas Unheimliches: Als würde ein unsichtbarer Puppenspieler von oben die Fäden ziehen, heben alle Anwesenden synchron den rechten Arm. In der Hand halten sie ein klotziges, schwarzes Gerät mit Tastatur und Display. (Solche Teile werden seit den Zwanzigerjahren nicht mehr gebaut.) Daraufhin poppt in den Displays eine gelbe Flamme auf und die Menschen beginnen, das Gerät im Takt der Musik hin und her zu schwenken. In den Gesichtern lese ich nackte Ergebenheit.
      Nur mit Mühe reiße ich mich von dem Anblick los und kontaktiere Jimmy. „Schicken Sie die zweite Fehlermeldung – jetzt!“
      „Gleich, Lucio. Eine Sache noch …“
      „Was?“, blaffe ich zurück. Wir haben eine gute Chance, den Erpresser festzumachen und ich will sie nicht vermasseln.
      „Sobald Sie den Kommunikator haben, versprechen Sie mir, dass Sie nicht reinschauen.“
      „Tue ich nicht.“
      „Versprochen?“
      „Versprochen, Jimmy.“
      „Gut.“ Die Erleichterung ist unüberhörbar.
      „Können wir jetzt?“
      „Ja.“
      „Gut. Also los!“
      Alle Geräte bleiben oben – der Puppenspieler hat nach wie vor die Fäden in der Hand –, während der Zeitungsjunge Löcher in die Luft stiert. Einzig die alte
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