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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman
Autoren: Murmel Clausen
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meiner ganzen Aktion durchaus bewusst war.
    » Ich weiß. Und es wird noch schlimmer. Warte, ich schalte uns wieder live«, antwortete ich. Und dann: » So, da bin ich wieder, und bei mir ist nun meine Verlobte.«
    » Glaubst du?«
    » Jessi, mit weichem J, äh, warum eigentlich?«
    » Ich war mal für so einen Sprachkurs in Perugia. Und da meine Sprachkenntnisse schlecht und der Rotwein exzellent waren, habe ich mich eigentlich immer mit einer Mischung aus Englisch und den paar Brocken Italienisch durchgeschlagen, die ich mir merken konnte. In meiner Unsicherheit habe ich dann für Ja immer Yes und si gesagt. Das wurde mein Spitzname.«
    Ich konnte nicht glauben, dass ich sie noch nie danach gefragt hatte. Noch weniger, wie sie mir die Geschichte so lange hatte vorenthalten können.
    » Und wie ist der Spitzname dann nach Deutschland getragen worden? Du hast doch sicher nicht allen Freunden hier erzählt, dass du jetzt Jessi genannt werden möchtest.«
    » Nee. Aber da ich erst danach nach München gezogen bin und meinen damaligen Freund in Perugia kennengelernt hatte.«
    Ralf. Damit wusste ich nun auch, wo und wie sich die beiden begegnet waren.
    » Aber wolltest du nicht mit mir darüber sprechen, warum ich dich vor die Tür gesetzt habe?«
    » Doch, wollte ich. Obwohl es eher ich war, der daran schuld war.«
    » Aber muss das im Radio sein? Reicht es nicht, wenn ich dich zu uns nach Hause einlade, um das zu bereden?«
    » Nein. Wir beide haben diesen verdammten Sender gekapert, jetzt lass es uns ausnutzen.«
    » Du spinnst.«
    » Und du stehst auf diese ekligen Kuppelshows im Fernsehen, weinst, wenn ein Fernsehteam einem jungen Mann ein Herz aus Rosen und Kerzen bastelt, das er dann seiner Freundin zeigt, als hätte er es alleine gebaut. Weil aber ich kein Fernsehteam habe, von dem ich so was erwarten könnte, muss ich eben von den Mitteln Gebrauch machen, die mir zu Verfügung stehen. Also, ich bin schuldig. Richtig?«
    » Ja.«
    » Eine Sekunde.«
    Ich unterbrach kurz, weil Jerry in den Redaktionsraum gestürmt kam und ich die Studiotür von innen verbarrikadieren musste. Das gelang mir gerade noch rechtzeitig unter Zuhilfenahme der Hocker für Studiogäste. Ich klemmte einen davon unter die Türklinke und huschte dann schnell zurück ans Mikrofon. Jerry sah inzwischen wütender aus als all die gefährlichen Typen, die mir diese Woche begegnet waren.
    » Jessi, pass auf. Ich mach eine Agentur für Messejobs auf. Ich fange klein an, von zu Hause aus, damit du den Job bei Leo annehmen kannst. Wenn du willst. Ich kümmere mich um Matilda, du bringst das Geld ins Haus, und es tut mir leid, dass ich nicht früher kapiert habe–«
    Meine Übertragung war jäh von Jerry gekappt worden. Mittels Sicherungskasten. Studio 1 war off air, Rene übernahm in Studio 2 mit einer kurzen Entschuldigung. Ein Irrer habe sich in den Sender geschlichen und den Sendebetrieb übernommen. Und dann ging es, keine Ahnung, ob aus Ironie, mit Will Smith und den Men in Black weiter, ganz » Friday Night Old School«.
    Das ist zumindest die Zusammenfassung der Ereignisse bei Hip FM , auf die ich mich mit Jessi nach langen Verhandlungen am Telefon auf dem Weg zu ihr einigen kann. Sie besteht zwar noch darauf, dass ich wesentlich dämlichere Dinge von mir gegeben habe, vor allem unverzeihbar viele » Ähs«, ich leugne das jedoch (obwohl sie recht hat), um die Peinlichkeit der ganzen Sache überhaupt irgendwie ertragen zu können. Wenigstens hat sich meine erste Befürchtung und anfänglich stille Hoffnung nicht bestätigt: Es haben nicht besonders viele Hörer zugeschaltet. Im Gegenteil, knapp die Hälfte hat nach ein paar Minuten den Sender gewechselt. Und da ich einen Werbeblock nicht gespielt habe, hat mir Jerry sogar noch mit einer Schadenersatzklage gedroht. Ich bete, dass er das nicht durchzieht, denn das könnte teuer werden.
    Jetzt liegen wir im Bett, und ich halte sie in meinem Arm, damit sie auf meiner magischen Einschlafschulter einschlafen kann. Will sie aber gar nicht. Sie will vielmehr wissen, was ich mir sonst noch alles überlegt habe.
    Also hole ich aus und setze zu einem Monolog an, der sie hoffentlich schnell müde werden lässt. Ich beginne bei meinem veralteten Rollenbild, in dem der Vater des Kindes auch die Aufgabe des Ernährers übernimmt. In dem eine Mutter zu Hause beim Kind ist, während ihr Mann irgendwo Geld verdient. Was absolut keinen Sinn mehr macht, wenn die Frau ein Jobangebot auf dem Tisch liegen hat, das
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