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Fremde Gäste

Fremde Gäste

Titel: Fremde Gäste
Autoren: Mary Scott
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und Verwandten in der Stadt zu ärgern und in Erstaunen zu versetzen; vielleicht hatte er nun diese Pose satt. Es wurde mir gestattet, die Pracht bis zum Rockkragen abzuschneiden.
    »Der Himmel möge Ihnen verzeihen und mich trösten!« sagte David wehmütig. Es war der einzige etwas gemilderte Ausdruck, den er von sich gab. Obwohl ich mich an eine Sprache, die meine Mutter als »nicht sehr fein« bezeichnet, gewöhnt habe, muß ich gestehen, daß ich in der folgenden halben Stunde doch einige reizende Neuheiten dazulernte. Der Jüngling entdeckte alsbald, daß ich gegen seine milden und blumigen Flüche ziemlich abgehärtet war. Als er die erste goldene Strähne fallen sah, fluchte er noch halblaut und entschuldigte sich gleich danach.
    »Ach, kümmern Sie sich nicht um mich!« sagte ich. »Ich lebe seit zwölf Jahren auf einer Schaffarm. Außerdem habe ich einen zehnjährigen Sohn. Was ich an phantasievollen Flüchen nicht von seinem Vater gehört habe, kenne ich von ihm. Machen Sie nur weiter, wenn es Sie erleichtert. Wenn es nur nicht unanständig wird!«
    Er lachte und meinte, soviel weibliche Toleranz hätte er nicht erwartet in... na ja, in...
    »Sie meinen wohl in der Wildnis, wie Sie sich gestern ausdrückten? Gegen diese Bezeichnung muß ich protestieren!«
    »Der Protest wird vermerkt, aber jetzt dachte ich weniger daran. Ich meinte eine Frau in Ihren Jahren.«
    »Kurz gesagt, eine Alte!« gab ich giftig zurück und schnitt wütend eine blonde Strähne ganz kurz ab. »Ich bin schon daran gewöhnt, daß man zu den Alten gehört oder sogar zu den Verkalkten, sobald man die Fünfundzwanzig überschritten hat.«
    »Und das nehmen Sie jetzt krumm.« Es war gräßlich, wie rasch er einen durchschaute. Natürlich nahm ich das krumm. Trotzdem lachte ich, wenn auch etwas gezwungen, und teilte ihm mit, daß ich mich persönlich weder verwelkt noch verkalkt fühlte. Da ertönte von der Veranda her eine helle Stimme: »Wer ist da verwelkt und verkalkt? Du gewiß nicht, Susan! Aber, du meine Güte — so ein junger Blondling! Kein Wunder, daß du da an deine Jahre denkst!«
    Das war natürlich Larry. Sie sah so schön aus und viel jünger als ich, obwohl sie in Wahrheit zwei Jahre älter ist. Ich machte die beiden miteinander bekannt. Ich bemerkte, daß David sie kritisch musterte, anstatt von ihrem Anblick überwältigt zu sein, wie ich erwartet hatte. Er schien den »jungen Blondling« übelzunehmen. Larry merkte das auch und amüsierte sich darüber. »Offen gesagt komme ich, um mir deinen Findling anzuschauen, Susan. Sie sehen, David, wir sind hier ein wenig altmodisch und schon welk und vergilbt und ziemlich voreingenommen gegen Anhalter. Noch vor zwei Tagen kamen wir überein, nie so einen faulen Lümmel im Auto mitzunehmen. Das können die Männer tun, denn die können sich wehren, wenn so ein Kerl seinem Retter eins auswischt und mit seinem Wagen davonfährt.«
    David blieb die Antwort nicht schuldig: »Was ihr Leute hier im Hinterland nur für merkwürdige Vorstellungen habt! Ich bin schon unzählige Male per Anhalter gefahren, und es ist mir noch nie in den Sinn gekommen, den Fahrer in den Straßengraben zu werfen und mit seiner Karre abzuhauen. Welche Möglichkeiten habe ich da verpaßt!«
    In Larrys Augen blitzte es gefährlich; das überraschte mich nicht. Ich selbst war gegen eine gewisse Überheblichkeit Davids uns gegenüber schon etwas abgehärtet. Für ihn waren wir Leute in der hintersten Provinz und natürlich naiv und voll sonderbarer Vorstellungen. Aber Larry war nicht gesonnen, das so einfach hinzunehmen.
    »Welch ein enormes Opfer, sich hier im Hinterland nach Arbeit umzusehen!« rief sie. »Ich hätte erwartet, daß Sie Ihre langen Haare behalten und einen Job in der Stadt nehmen würden. Die gibt’s dort zur Genüge, und außerdem Streiks und Protestversammlungen, an denen man sich beteiligen kann.«
    Das war eine Herausforderung und paßte eigentlich nicht zu Larry, die sonst weder gegen die Großstadt noch gegen die Landarbeit Vorurteile hat. David spürte ihre mutwillige Absicht und meinte: »Ja, Sie haben recht. Glänzende Möglichkeiten für einen hoffnungsvollen jungen Mann! Mrs. Russell, wenn Sie noch einen Zentimeter mehr abschneiden, fahre ich per Anhalter zurück in die Stadt und nehme den angenehmen Job, von dem Mrs. Lee redet.«
    »Mrs. Russell... Mrs. Lee...!« mokierte sich Larry. »Ich dachte, ihr jungen Leute macht von Familiennamen keinen Gebrauch. Sind Sie nur deshalb so
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