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Frauen lügen

Frauen lügen

Titel: Frauen lügen
Autoren: Eva Ehley
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zur Familie. Und unser Freundeskreis ist auch stabil.«
    Silja ist erfahren genug, um zu merken, wann eine Zeugin dichtmacht. Und bei Susanne Michelsen ist jetzt eindeutig dieser Zeitpunkt erreicht. Fragt sich nur, ob sie auf eine heiße Spur gestoßen ist oder ob Frau Michelsen einfach von der Stichhaltigkeit ihrer Aussage überzeugt ist.
    »Tja, dann wäre es das für heute. Nur eines noch: Wie lange werden Sie noch hier auf der Insel bleiben, wenn ich fragen darf?«
    »Ein oder zwei Wochen vielleicht. Ich war sehr lange nicht mehr auf Sylt, das habe ich Ihnen ja vorhin erzählt. Und wenn man dann nach so langer Zeit wiederkommt, ist man doch sehr gefangen von dem Charme der Insel.«
    Nachdenklich fährt Susanne Michelsen sich übers Gesicht, bedeckt es mit beiden Händen und reibt sich ausführlich die Augenbrauen, eine Geste, bei der Silja auffällt, dass sie eher nach Verzweiflung als nach Verzückung aussieht. Auch wenn die Kommissarin spontan keine Erklärung für diese Ungereimtheit weiß, beschließt sie doch, sich den Zusammenhang zu merken.

Dienstag, 16 . August, 9.10  Uhr,
Haus am Dorfteich, Wenningstedt
    Ungewöhnlich früh ist Fred aus einem unruhigen Schlaf erwacht. Wirre Träume lösten sich in schneller Folge ab, zum Glück hat er sie alle schon vergessen. Seinen Frühstückskaffee braut er heute besonders stark, und er schlägt nicht ein, sondern gleich drei Eier in die Pfanne. Ihm ist, als habe die Begegnung des gestrigen Abends an seinen Kräften gezehrt und die eiserne Moral untergraben, der er sich seit seinem Aufstieg vom Alkoholiker zum Bestsellerautor unterworfen hat. Doch wozu hat er sein strenges Morgenritual, wenn nicht, um genau solche Tücken des Alltags zu überwinden?
    Obwohl es kühl und windig ist, schwingt Fred sich direkt nach dem Frühstück auf sein Fahrrad. Schnell hat er den Radweg von Wenningstedt hinüber nach Kampen erreicht. Flankiert von Kornfeldern hinter mannshohen Wildrosenbüschen bietet die gerade Strecke einen makellosen Blick auf den Leuchtturm. Freds Ziel ist der menschenleere Strandabschnitt auf Höhe des Kampener Campingplatzes, an dem er jeden Morgen schwimmen geht. Hinter dem Campingplatz, der gemütlich und beschaulich zwischen Krüppelkiefern und dem ersten Dünenkamm liegt, führt ein schmaler Schotterpfad zum Strand. Rechts ducken sich am Ende eines weiten Heidefeldes die Reetdächer der ersten Kampener Häuser in die Wellen der Landschaft. Es ist ein Blick wie gemalt, und doch kommen die meisten Touristen niemals hierher. Und Einheimische auch nicht. Keine Chance für Autos. Nur Radfahrer und Fußgänger kennen den Weg.
    Fred strampelt drei Dünen hoch, dann wieder hinunter, bringt zwei Links- und eine Rechtskurve hinter sich, um die Nase den kräftigen Gegenwind von der Nordsee und in der Luft den intensiven Geruch nach Heidekraut. Bei diesem Wetter und um diese Uhrzeit ist hier niemand. Fred auf seinem Fahrrad hat die Natur ganz für sich allein, Sand, Gräser, Möwen. Am Ende des Weges stehen ein paar Metallbügel, um die Räder anzuschließen. Fred braucht kein Schloss. Ein klappriger Drahtesel aus den achtziger Jahren wird nicht gestohlen. Natürlich hat er sich längst ein neues teures Rennrad zugelegt, aber er hängt immer noch an dem alten Teil, vielleicht weil es ihm im Sommer vor zwei Jahren so treue Dienste geleistet hat.
    Fred schiebt das Rad neben einen der Bügel, zieht die Schuhe aus und lässt sie neben dem Fahrrad zurück. Jetzt noch einige Meter die Düne hinauf, wobei der Sand eine Wohltat für die Füße ist, obwohl er feucht und kalt zwischen den Zehen klebt. Der Wind vom Meer wird mit jedem Schritt stärker. Und Stück für Stück tauchen die Wellen auf. Fred steht jetzt ganz oben auf dem roten Kliff, das über zwanzig Meter steil abfällt. Außer dem Tosen der Brandung ist nichts zu hören. Selbst bei schönem Wetter liegt hier die einsamste Stelle des Strandes. Keine Strandkörbe, keine Toiletten, keine Gastronomie. Nur einige Hartgesottene mit ihren knallbunten Windmuscheln trotzen dann den Elementen. Einen Bademeister gibt es nicht, auch keine Bekleidungsvorschriften. Die meisten tragen am Strand Badekleidung, gehen aber nackt ins Wasser. Doch zu dieser Stunde ist der Strand menschenleer. Nur am nördlichen Horizont nähert sich ein einsamer Spaziergänger.
    Langsam steigt Fred die Holzstufen hinunter. Das letzte Stück läuft er mit großen Schritten durch den steil abfallenden Sand, bleibt kurz vor dem Flutsaum stehen und
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