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Frau Prinz pfeift nicht mehr

Titel: Frau Prinz pfeift nicht mehr
Autoren: A Scheib
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davongelaufen ist. Sie hat gerufen, mit so einer schrecklichen Haßfamilie wolle
     sie nichts zu tun haben.«
    Ingrid Prinz-Papke sprang auf, sie lief wie eine Gefangene durch den kleinen Raum, Kemper ließ sie gewähren. Sein Magen knurrte,
     er dachte hungrig an eine heiße Miso-Suppe, einen Teller Sushi. Trotzdem ließ er die Prinz-Papke nicht entkommen, er spürte,
     er mußte sie reden lassen, bevor sie sich wieder gefangen hatte und sich einigelte. So wie damals, beim Tod ihres Vaters,
     als seine Kollegen aus ihr, dem Bruder und der Stiefmutter nichts herausgekriegt hatten. Die drei bestanden darauf, daß mit
     der Treppe alles wie immer gewesen sei. Die Kollegen hatten auch keinerlei Spuren gefunden, die etwas anderes ausgesagt hätten.
     Sie waren schließlich von einem Unfall ausgegangen.
    »Nun weiß ich aber immer noch nicht, warum Ihr Bruder sich umgebracht hat.« |54| Kemper sah die Prinz-Papke lauernd an. Wenn es um ihren Bruder ging, zeigte sie eine Spur von Gefühl, vielleicht widerwillig,
     aber immerhin. Sie fuhr sich durch das verklebte, dünne Haar, sagte müde, daß Chantal offenbar fest geglaubt habe, daß Nepomuk
     seine Mutter umbringen wollte. Nepomuk sei ihr hinterhergelaufen, da habe sie aber gerufen, er solle ihr aus den Augen gehen,
     für immer, sie sei in ein Taxi eingestiegen, und dann sei Nepomuk weggerannt. »Wir können nur vermuten, daß er ihr mit seinem
     Auto hinterherfahren wollte, daß er durchgedreht ist, als er sich hoffnungslos zugeparkt fand. Den Rest wissen Sie ja.«
    Kemper stand auf. Für heute reichte es ihm. Er sagte Ingrid Prinz-Papke, daß sie selbstverständlich in München bleiben müsse
     in der nächsten Zeit, »bis der Tod Ihrer Stiefmutter geklärt ist«.
    Sofort fuhr sie wieder auf ihn los.
    »Die Moldens –«, worauf Kemper sie unterbrach, sie fragte, ob ihr Haß auf die Nachbarn nicht auch etwas Krankhaftes habe.
     Wie bei ihrer toten Stiefmutter.
    Darauf sah die Prinz-Papke ihn mit einem |55| ihrer verschlagenen Blicke an: »Denken Sie, was Sie wollen.«
    »Das sowieso«, sagte Kemper. »Wo finde ich eigentlich Ihren Mann? Er meldet sich nicht unter Ihrer Nummer, und an seinem Arbeitsplatz
     hat man ihn auch schon eine Weile nicht mehr gesehen. Können Sie mir vielleicht sagen, wo er ist?«
    Hatte Kemper richtig gesehen? War die Prinz-Papke rot geworden? Das Licht im Büro war von einem derart bläulichen Neon, daß
     Kemper die Gesichtsfarbe Ingrid Papkes, die wohl eher rotbackig als blaß war, nicht wirklich bestimmen konnte. Sie warf jetzt
     den Kopf in den Nacken, eine Geste, die auf Kemper ziemlich lächerlich wirkte. »Kümmern Sie sich doch selber darum. Sie wissen
     doch ohnehin alles besser.«
    »Kann es sein«, fragte Kemper brutal, »kann es sein, daß Sie keine Ahnung haben, wo Ihr Mann sich aufhält? Daß Ihre Ehe genauso
     tot ist wie Ihre Stiefmutter?«
    Sie wandte sich ab, und Kemper ging, sein Kopf war schwer wie nach einer alkoholisierten Nacht. Er durchquerte die Rezeption,
     ließ die Tür hinter sich ins Schloß |56| fallen. Die Kühle im Treppenhaus tat ihm gut, er wollte schon die Treppen hinunterlaufen, da besann er sich anders. Er ging
     noch eine Treppe höher, zu der Wohnungstür, die über der Steuerkanzlei lag. Das Weinen des Säuglings war verstummt. Kemper
     las an der Wohnungstür: »Emilie Koch«. Drei Stockwerke tiefer, am Eingang, las er dann auf der untersten Klingel: »Barisic,
     Hausmeister«. Warum hatte Ingrid Papke ihn angelogen?

5
    Ingrid Prinz-Papke sah durchs Fenster Kemper hinterher, sah, wie er in seinen Wagen einstieg und wegfuhr. Sofort raffte sie
     ihre Tasche, die Autoschlüssel und rannte aus dem Büro, einen Stock höher. Sie schloß die Tür auf, umarmte flüchtig die alte
     Frau, die in der Küchentür erschien, und lief in ein kleines Zimmer, in dem ein Wäschekorbstand, aus Weide geflochten. |57| Darin lag ein Säugling, vielleicht acht Monate alt, er hatte seine Fäustchen geballt neben seinem Kopf liegen und schlief.
     
    Die alte Frau kam herein. Sie hatte weiße, flusige Haare, ein gütiges Gesicht, in das tiefe Falten gegraben waren, ihre Hände
     sahen verarbeitet aus, waren knotig. Sie blieb hinter Ingrid stehen, sah zu, wie sie behutsam die Decke zurechtzupfte, die
     das Baby weggestrampelt hatte. »Alle im Haus fragen mich, wieso ich den Kleinen so lange bei mir habe. Langsam bekomme ich
     Angst, Ingrid. Wenn nicht die Entführung gewesen wäre, machten sich die Leute sicher keine
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