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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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Begrüßungsdrink? In meiner Kammer? Ein Deck tiefer.“
    Keine Frage, dass Susanne die Einladung dankbar annahm. Nach der Erfahrung der vergangenen Nacht hielt sie es für nicht erstrebenswert, noch einmal derart zeitig zu Bett zu gehen. Außerdem gab es kaum etwas Wirkungsvolleres gegen Lampenfieber als so eine richtige Sause.
    Zu der hausbackenen Musik des Bordfunks, die aus dem Lautsprecher über der Kammertür dröhnte, packte die Funkerin ein zweites Mal ihre Reisetasche aus. Sie hatte sich vorgenommen , der Stewardess in einer Stunde beim Eindecken für das Mittagessen zur Hand zu gehen, quasi als Dankeschön für den vorzüglichen Kaffee. Bei der Gelegenheit konnte sie ihr vielleicht das Rezept abluchsen. Vorher allerdings wollte sie noch beim Verladen des Roggens zusehen.
    Alles war so aufregend und neu für sie, dass sie möglichst nichts verpassen wollte. Zwar kannte sie den Überseehafen nach zahlreichen Arbeitseinsätzen während ihrer Studentenzeit zur Genüge, die Schiffe indes, welche sie als Tallyman damals abfertigte, hatte sie lediglich von der Pier aus angaffen dürfen. Das sollte sich jetzt ändern. Auch das, denn mit einem Mal, gerade so als hätte jemand einen Schalter in ihrem Hirn umgelegt und ihr damit einen Blick in die Zukunft ermöglicht, wusste sie, dass diese Fahrt ihr Leben verändern würde. Von Grund auf und nachhaltig. Für immer.
    Sie hatte gerade die Zimmertür hinter sich zugezogen, um an Deck zu gehen und sich davon zu überzeugen, dass der Blaue Peter tatsächlich gesetzt war, als sie auf dem Gang unsanft mit einer voluminösen Gestalt zusammenstieß. Ohne ein Wort der Entschuldigung stürzte eine völlig in Tränen aufgelöste Frau in die Kammer, aus der Susanne getreten war. Da es an Bord nicht üblich war, Türen abzuschließen, bemerkte die Fremde ihren Irrtum erst, nachdem sie sich auf das entsetzt ächzende Bett hatte fallenlassen und darauf zu ihrer Überraschung ein fremdes Nachthemd liegen sah.
    Entrüstet fuhr sie in die Höhe. „Was soll das denn?“ Und es hatte ganz den Anschein, als würde sie die mitfühlende Miene der Funkassistentin noch mehr als deren Anwesenheit empören. Schniefend zog sie ihre tropfende Nase hoch und registrierte mit finsterem Blick die Veränderungen in ihrer Kammer, die auf das Konto der Neuen gehen mussten. Umständlich rappelte sie sich auf.
    „Was haben Sie hier zu suchen? Noch ist das meine Kammer, verstanden? Nehmen Sie Ihren Krempel und dann raus hier!“
    Die Oberstewardess! seufzte Susanne resigniert und versuchte, sich ihr Entsetzen nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Simone hatte bei der haarsträubenden Beschreibung ihrer Chefin eher untertrieben, fand sie und duckte sich unwillkürlich. Die Oberstewardess war zwar nicht wesentlich größer als sie selbst, dafür gut und gerne doppelt so breit.
    Wie sich – einem hervorragend funktionierenden Buschfunk sei Dank – bald herausstellte, hatte es während des Hafenurlaubs einigen Stress zwischen der Oberstewardess Barbara Bart und ihrem Stecher, dem Dritten Technischen Offizier, gegeben, bis der Streit der beiden schlussendlich bei der Rückfahrt zum Überseehafen eskalierte. In Windeseile sprach sich die Neuigkeit an Bord herum und nicht bloß Simone Schill rieb sich schadenfroh die Hände, weil sie eine Wette mit den Köchen gewonnen hatte.
    Völlig ungerührt erklärte sie Susanne: „Dem Dritten galt von Anfang an mein vollstes Mitgefühl, das kannst e mir glauben, Lütte. Es heißt zwar, nach hundert Tagen auf See erscheint den Männern jede Frau wie eine Sirene, derart tief und auf Babsi hat sich hingegen noch niemand fallen lassen.“
    „ Autsch! Übertreibst du nicht ein wenig? Sooo hässlich ist sie auch wieder nicht, lediglich ein bisschen … na ja, füllig eben. Die Gene vermutlich“, lenkte Susanne mit einem Anflug von Mitleid für die von der Natur benachteiligte Frau ein, zählte sie sich doch aufgrund ihrer Kürze ebenfalls zu den ins Hintertreffen geratenen Erdenbewohnern. Sie schleuderte ihre Reisetasche zielsicher unter das Fenster der Pantry und griff sich einen Stapel Teller.
    Simone winkte mit verächtlichem Schnaufen ab. „Ich meine weniger das Äußere, obwohl das schon echt krass ist, oder etwa nicht? Ich könnte schwören, auf diesem Kahn hat sie noch nie jemand lachen sehen. Und selbst der Alte, für den Freundlichkeit ein Fremdwort ist, lässt sich lieber von mir als von Babsi den Nachmittagskaffee bringen. Sogar beim Bordabend, sollte sie
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