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Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)

Titel: Franziskus - Zeichen der Hoffnung: Das Erbe Benedikts XVI. und die Schicksalswahl des neuen Papstes (German Edition)
Autoren: Andreas Englisch
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völlig neue Erfahrung machen. Die Beziehungen zwischen Staat und Kirche waren seit seiner Jugend gespannt. Zunächst hatten Juan Domingo Peróns Krieg gegen die Kirche und später die instabilen Regierungen immer wieder zu Konflikten zwischen Kirche und Politik geführt. Jetzt bricht zu Beginn der 90er-Jahre ein Jahrzehnt der engen Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat an, das Argentinien stabilisieren sollte. Menem versteht sich als Peronist, ihn hat der radikale soziale Aufschwung, den Perón in den 40er- und 50er-Jahren ermöglicht hat, genauso geprägt wie Bergoglio. Menem wird ein enger Freund des Bergoglio-Beschützers Antonio Quarracino, der im Jahr nach dem Wahlsieg Menems zum Erzbischof von Buenos Aires ernannt wird. Menems Hauptproblem war es, nicht nur die Wirtschaft wieder aufzubauen, sondern auch den Prozess der Aussöhnung in Argentinien voranzutreiben.
    Menem ist ebenso wie Bergoglio begeistert von der Figur des Nelson Mandela in Südafrika. Dieses Land muss sich mit einem ähnlichen Problem herumschlagen wie Argentinien. Beide Länder sind innerlich zerrissen, die Weißen in Südafrika wissen, dass das Apartheidsystem der staatlich verordneten Rassendiskriminierung so nicht weiter bestehen kann. Der Druck von außen durch die Embargopolitik der UNO und vieler Staaten ist ebenso groß wie der von innen. Präsident Pieter Willem Botha geht es darum, einen drohenden Bürgerkrieg abzuwenden. Er nimmt mit dem seit fast drei Jahrzehnten inhaftierten Chef des Afrikanischen Nationalkongresses ANC , Nelson Mandela, im selben Jahr geheime Verhandlungen auf, in dem auch Antonio Quarracino als neuer Erzbischof von Buenos Aires erste Vermittlungsgespräche zwischen den Opfern und den Tätern der argentinischen Militärdiktatur zu organisieren beginnt.
    Carlos Menems Ziel ist die Aussöhnung der nach dem schmutzigen Krieg der Militärdiktatur zutiefst gespaltenen Gesellschaft. Erzbischof Quarracino und sein Mitarbeiter Bergoglio sind von der Idee fasziniert und wollen diesen Prozess vorantreiben. Ein Resultat davon ist die Amnestierung der Junta-Generäle, die zu Gefängnisstrafen verurteilt worden waren (was später unter Nestor Kirchner wieder aufgehoben werden sollte). Gleichzeitig bauen Kirche und Staat das lange gegeneinander gehegte Misstrauen ab.
    Die katastrophale Wirtschaftskrise der 80er-Jahre mit ihrer Hyperinflation zwingt Menem dazu, die argentinische Währung an den Dollar zu koppeln, was die Wirtschaft Argentiniens zwar stabiler macht, aber die Preise für die Produktion hochtreibt. Das Leben auf dem Land hatte sich in Argentinien seit Jahrhunderten durch eine gewisse Stabilität ausgezeichnet. Die Bauern Argentiniens züchten Vieh, bauen Getreide an und Gemüse. Diese Art der Produktion war nicht so personalintensiv wie die auf den riesigen Plantagen für Kakao, Zucker und Kaffee in Brasilien. Anders als dort, wo vor allem Nachfahren der aus Afrika verschleppten Sklaven den größten Teil der Bewohner der Favelas bilden, sind es in Argentinien die Nachfahren der europäischen Einwanderer, die nun ihr Leben auf dem Land aufgeben müssen. Ihr Hauptvorteil, zu günstigen Preisen für den Weltmarkt produzieren zu können, fällt durch die Koppelung des Pesos an den Dollar weg. Immer rascher strömen immer mehr Menschen aus der Provinz in die Städte, vor allem nach Buenos Aires, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Zudem betreibt Menem eine radikale Deregulierung und Liberalisierung der argentinischen Volkswirtschaft, viele Staatsbetriebe werden privatisiert. All das hat zur Folge, dass die Arbeitslosigkeit drastisch ansteigt und Millionen Familien in die Armut getrieben werden.
    Auch diese Jahre der Verelendung großer Teile der Bevölkerung Argentiniens werden Jorge Mario Bergoglio prägen, vor allem weil er die Erfahrung macht, dass ein Großteil des sozialen Elends unverschuldet über die Opfer hereingebrochen ist. Die fleißigen ehemaligen Landarbeiter, die nun in den Elendsvierteln von Buenos Aires dahinvegetieren, können nichts dafür, dass ihre Produkte aufgrund finanzpolitischer Entscheidungen auf dem Weltmarkt unverkäuflich waren.
    Mit der Ernennung Quarracinos 1991 zum Kardinal wird das Verhältnis der Kirche zu Präsident Menem noch enger. Menem weiß, dass die katholische Kirche versucht, den Preis zu zahlen, den die Regierung nicht zahlen kann. Die drastischen Wirtschaftsreformen treiben immer mehr Menschen ins Elend, und der Staat ist zu bankrott, um das Leben der Armen
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