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Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Fluch der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Fluch der Engel: Roman (German Edition)
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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wiedersehen würde, erleichterte mir das Abschiednehmen.
    Philippe brachte mich zum Bahnhof. Ich drängte ihm noch im Auto einen schnellen Abschied auf. Er musste nicht mitbekommen, dass ich gar nicht nach Venedig fuhr.
    Als er im Verkehrsgewühl verschwunden war, schulterte ich meinen Rucksack und machte mich auf den Weg zur Einsiedelei. Der schmale Pfad führte steil nach oben. Trotz der gleißenden Septembersonne kam ich gut voran. Ich wollte so schnell wie möglich zu Christopher. Hoffentlich hatte Aron keinen längeren Zwischenstopp mit Lerneinheiten in der Eremitage geplant.
    Kurz bevor ich die Einsiedelei erreichte, legte ich dort, wo die Bergkante senkrecht nach unten fiel, eine kurze Pause ein. Traumhaft schön in das breite Tal eingebettet, lag Sulmona mir zu Füßen. Genau hier hatte ich zum ersten Mal Flügel bekommen: rosafarbene Plüschflügel. Damals kannte ich noch so wenig von Christophers Welt. Vermutlich hätte ich mich zu Tode gefürchtet, wenn ich gewusst hätte, wie sie in Wirklichkeit war.
    Eine kühle Brise wehte vom Tal herauf. Ein sanftes Kribbeln zog über meinen Rücken und lockte mir ein Lächeln ins Gesicht. MeinKörper wollte sich in die Tiefe stürzen, meine Flügel den Wind spüren. Ich war ein Racheengel – und glücklich darüber.
    Als sich in die Brise der Hauch eines Gewittersturms mischte, stockte mir der Atem. Es gab nur einen, der nach Sommerregen roch: Christopher. Er lehnte an der Eingangstür zur Einsiedelei und beobachtete mich mit einem Lächeln, das mich in seine Arme trieb.
    Mein Atem ging viel zu schnell, als ich vor ihm stand. Auf seinem Gesicht waren die Spuren des Kampfes noch zu erkennen, doch Christophers Augen strahlten voller Lebensfreude. Als würde er mich zum ersten Mal sehen, glitt sein Blick über mein Gesicht und erforschte jede Kleinigkeit. Vorsichtig, als hätte er mich noch nie berührt, folgten seine Hände, strichen meine Augenbrauen entlang, die Konturen meiner Wangen und schließlich über meine Lippen.
    »Als ich dich am Kai stehen sah, dachte ich, sie würden dich in Stücke reißen. Doch stattdessen hast du sie besiegt und mir und vielen anderen das Leben gerettet«, gab er zu, bevor er mich an sich zog, als gäbe es kein Morgen mehr. Und obwohl er mich schon so fest in seinen Armen hielt, drängte ich mich noch dichter an ihn heran.
    Christophers Lippen fanden meine Lippen. Stürmisch eroberte er meinen Mund. Seine Sehnsucht nach mir war ebenso groß wie meine nach ihm. Doch nicht nur der Wunsch, nie wieder getrennt zu werden, auch alle unsere Ängste schienen sich in diesem Kuss zu vereinen. Es schmeckte süß und schmerzhaft zugleich. Ein Versprechen auf Unendlichkeit mit dem bitteren Hauch von Vergänglichem. Wir waren Racheengel und bewegten uns auf einem Grat zwischen Gut und Böse. Doch wir kämpften nicht allein – wir hatten uns.
    Nach einer viel zu kurzen Ewigkeit schob Christopher mich ein kleines Stück von sich. In seinen Smaragdaugen lag ein verführerisches Funkeln, das mich schwindelig machte. Und ein wenig Unsicherheit, die mir Sorgen bereitete.
    »Ich …« Christopher suchte nach Worten – er war tatsächlich unsicher. »Ich habe mein Versprechen nicht vergessen.«
    Ich versuchte, in seinen Augen den Grund für seine Anspannung zu finden. Doch Christopher ahnte, was ich vorhatte, und betörte mich mit einem zärtlichen Kuss.
    Bei seinem zweiten Anlauf wirkte er gefasster – und noch tausendmal verführerischer. Meine Knie wurden weich, als er mir verriet, dass Aron in Venedig geblieben war und wir dort erst in zwei Tagen erwartet wurden. Den Halt unter den Füßen verlor ich ein paar Minuten später, als wir in die Engelswelt wechselten und Christopher mit mir zu einem der nahegelegenen Berggipfel flog.
    Obwohl es nicht mein erster Flug mit Christopher war, berauschte es mich, mit ihm zu fliegen: den Wind in seinen lichtdurchwirkten Schwingen zu hören, seinen Geruch einzuatmen und sein schnell schlagendes Herz zu spüren. Er war ebenso aufgeregt wie ich.
    Die Berghütte, auf die er zusteuerte, stand auf einer zu Fuß unerreichbaren Alm, mitten auf einem breiten Felsplateau. Ihre Wände waren mit Holzschindeln verkleidet, das Dach mit grauen Schieferplatten bedeckt – und sie gehörte uns ganz allein.
    Erneut schlich sich ein Zeichen von Unsicherheit bei Christopher ein. Hatte er Angst, die Hütte könnte mir nicht gefallen? Geradezu schüchtern öffnete er die Tür und ließ mich eintreten.
    Ein heller, freundlicher Raum
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