Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis
Autoren: Frederike Schmöe
Vom Netzwerk:
ich.«
    Draußen schnatterten die Gänse los. Ich sah Nero zum Teich hinüberstapfen. Meine beiden Grauen hatten ihn noch nicht als einen der Ihren akzeptiert und verfolgten seinen Weg mit Argwohn.
    »Haben Sie sich mit der Therapeutin, die ich Ihnen empfohlen habe, in Verbindung gesetzt?«
    »Nein«, war Simonas Antwort. »Ich will vergessen.«
    Kaum hatte ich aufgelegt, rief Milena an und erteilte mir den Auftrag, Larissas Geschichte zu schreiben. Ich verstand ihre Verwirrung. Sie musste der Tatsache ins Auge sehen, selbst das Ungemach erzeugt zu haben, das auf Larissas gescheiterten Fluchtversuch folgte.
    »Wie geht es Larissa?«, fragte ich angstvoll.
    »Lausig. Ihre Nieren arbeiten kaum noch. Ihr Bauch ist voller Wasser.«
    Ich meldete mich bei Gerrit Binder, um ihn mit den neuesten Erkenntnissen zu Larissas Ausschleusung zu konfrontieren.
    »Sie haben mir Alex’ Nachnamen nicht gesagt, obwohl Sie ihn wussten«, warf ich ihm vor.
    »Weil ich nicht wollte, dass Sie herausfinden, dass die Kameraden von einst Rache planten«, antwortete er ruhig.
    Logo, eine schnüffelnde Ghostwriterin hätte den Ablauf gestört.
    »Haben Sie geahnt, dass Larissa vom M f S ausgeschleust wurde, um Ihre Gruppe zu bespitzeln?«
    »Es war doch ihre einzige Chance. Sie hat sich den bundesdeutschen Behörden offenbart, woraufhin der Staatsschutz eingeschaltet wurde. Und irgendwann hat sie auch mich eingeweiht. Sie hat nie auch nur eine Silbe über uns an die DDR weitergegeben.«
    »Hat die Tatsache, dass Larissa sich anwerben ließ, Ihr Vertrauen in sie nicht erschüttert?«
    »So kann nur eine junge Frau wie Sie fragen«, antwortete Gerrit. »Denken Sie in allem schwarz-weiß?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Larissa war im Knast. Sollte sie dort drinnen verschmachten? Meine Güte, sie wollte raus, sie wollte Freiheit. Ihre Unterschrift auf dem Stasipapier war ihre einzige Chance.«
    »Aber das war auch gefährlich«, entgegnete ich. Dass Gerrit Binder mich des Schubladendenkens schalt, nahm ich ihm übel. »Das M f S hat sie doch als eine Art Überläuferin sehen müssen.«
    »Soweit ich weiß, wurde sie über Jahre hinweg beschützt. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.«
    Ich verabschiedete mich und wollte auflegen, doch Gerrit fügte hinzu:
    »Es gibt niemanden, der in der Diktatur seine Unschuld bewahrt. Und wer es tut, der zahlt mit dem Leben.«
    Nero versorgte uns beide in der folgenden Woche mit Nahrung, kümmerte sich um die Gänse und ließ mich ansonsten in Ruhe. Auch die Aussprache mit Martha Gelbach übernahm er. Sein Kollege aus dem LKA , ein Typ mit Nickelbrille und Pferdeschwanz, der aussah wie ein Friedensbewegter aus den Siebzigern, besuchte uns am Montagabend. Nero lockte mich mit einem Glas Rotwein zu sich und seinem Besuch in die Küche. Sie diskutierten über irgendwelche anonymen Mails, die im LKA auf den Bildschirmen aufgetaucht waren. Alex Finkenstedt hatte sie geschickt.
    Ich hatte den richtigen Riecher gehabt. Er hatte die alten Kumpels zusammengerufen. Gemeinsam mit Simona Mannheim schmiedeten sie Pläne, an Reinhard Finkenstedt für Katjas Tod Rache zu nehmen, indem sie seine Machenschaften an die Öffentlichkeit brachten.
    Nun würde er für andere Verbrechen büßen. Reinhard Finkenstedt hatte in den Verhören bei der Anklamer Kripo gestanden, Larissa von Rothenstayn in der Nacht zwischen dem 27. und dem 28. August mit dem Kerzenleuchter niedergeschlagen zu haben und mich am Abend des 2. September in der Neumarkter Straße angefahren zu haben. Der Anwalt, der ihn verteidigte, war laut Ralph Dönges der Sohn eines ehemaligen Genossen, der mit Reinhard gemeinsam an der SED -Kaderhochschule gelehrt hatte.
    Der private Ausflug von Neros Kollegen Markus Freiflug nach Leipzig mit dem Zweck, die Zahnbürste oder einen anderen DNA -Träger aus dessen Wohnung zu stehlen, war damit hinfällig geworden. Nero hatte Freiflug gerade noch rechtzeitig zurückgepfiffen.
    Am Dienstag rief ich Alexander Finkenstedt an. Es war nicht ganz leicht, an seine Nummer heranzukommen. Das heißt, an die Nummer eines gewissen Hans Deller aus dem Kanton Eupen. Aber es gelang.
    »Sie müssen aussagen. Als Zeuge«, sagte ich zu ihm.
    »Das weiß ich.«
    »Wie kommen Sie an einen belgischen Pass?«
    »Ein Überbleibsel. Gerrits Gruppe bekam damals welche, um DDR -Bürger, als westliche Ausländer getarnt, auszuschleusen. Die Decknamen wurden sogar ins Melderegister eingetragen.«
    »Von diesen Pässen war einer für Sie bestimmt?«, fragte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher